Dienstag, 10. Oktober 2006

lange reise

…und noch immer nicht hab ich mich von dieser ewigen Busfahrt erholt… Aber ich versuch wieder mal am Anfang anzufangen. Ich erinnere mich:


Erstes Treffen mit Mamy…
Nachdem wir Rados Geburtstag gefeiert hatten, fuhren wir gleich anschließend zum Flughafen um Mamy abzuholen. Ich hatte keine Ahnung wie Mamy ausschaut, außer, so sagte man mir, dass sie klein sei. Als sie dann endlich ankam, war sie ganz anders als ich sie mir vorgestellt hatte (nicht das ich mir konkret was vorgestellt hatte, aber hät ichs getan wärs ganz anders gewesen). Außer dass sie klein ist, ist sie eine recht harte Raucherin, redet viel, lacht viel und regt sich schnell auf (auf jedem Fall wird einem mit ihr niemals langweilig). Ihr Sohn, Tiana, ist 27 Jahre alt, Schweizer Karatemeister, und sehr, sehr schweigsam. Mamy hatte ihm erst eine Woche vor ihrem Abflug von der Reise erzählt. Tiana war bis er 13 Jahre alt war in Madagaskar aufgewachsen und später dann mit seiner Mutter in die Schweiz gezogen und seit dem nicht mehr nach Madagaskar gekommen. Hier waren sie also, die beiden, und ebenso wie Mamy ihrem Sohn erst so kurzfristig von der Reise erzählt hatte, hatte sie niemandem in Madagaskar von ihrer Ankunft berichtet. Der Mann von ihrem zweiten Sohn (sie hat drei Kinder), auch Madagasse, sollte sie vom Flughafen abholen aber (da sie ihm erst einen Tag vorher Bescheid gesagt hatte) verschlief er wir mussten lange auf ihn warten. Als er dann endlich da war, haben wir die beiden noch ins Hotel gebracht und dann bin ich nach hause und todmüde ins Bett gefallen.

Mamy überrascht ihren Bruder…

Am nächsten Morgen (am Sonntag) bin ich dann in die Stadt gefahren um Mamy im Hotel zu treffen. Als ich in ihr Zimmer kam schlief ihr Sohn Tiana noch, laut schnarchend, und neben ihm auf einem Sessel saß ein bärtiger Mann, der, so sagte mir Mamy, Tianas leiblicher Vater war. Gestern war sie mir nichts dir nichts mit Tiana zu seinem Haus gefahren um ihn nach 13 Jahren Funkstille mal wieder seinen Sohn sehen zu lassen. Mamy ist immer für Überraschungen gut…. Hihi!
Wir sind dann zu dritt (Mamy, Tianas Vater und ich) runter in das Cafe des Hotels gegangen um zu Frühstücken. Mamy war ziemlich wütend. Sie sagte mir, man hätte sie beschissen. Sie hatte gestern Nacht (wahrscheinlich schon angeheitert) in der Bar des Hotels beim Bezahlen der Getränke 30 Euro zu viel gezahlt. Und, so kalkulierte ich später, hatte ebenfalls beim Tanken dem Tankwart 30 Euro zu viel gegeben. (Papa, wenn du jemals wieder sagst ich bin chaotisch, dann werd ich dir einmal Mamy vorstellen… Aber es geht ja noch weiter…). Sie war also wütend. Willkommen im Land der Chaoten, sagte sie mir ständig. Die bescheissen ja ihre eigenen Leute! Ab diesem Zeitpunkt jedenfalls übergab sie mir (wenn ich in der Nähe war) ihren Geldbeutel zum Bezahlen sämtlicher Rechnungen.
So warteten wir im Cafe auf Tiana und, wie sie mir dann erzählte, auf ihren Bruder. Sie hatte ihn gestern Nach angerufen und ihm erzählt sie sei jetzt in Madagaskar. Die beiden hatten ausgemacht, dass er mit seiner Familie rein zufällig am Cafe vorbeispazieren würde und sie dann seine Familie überrasche.
Die Familie kam dann auch und Mamy freute sich wie ein Honigkuchenpferd. Sie sprang auf und ab und umarmte die 3 Kinder und alle. Das war wirklich eine nette Überraschung.

Besuch im Krankenhaus von Mamy…

Nachher sind wir dann mit dem Bus von ihrem Bruder in das Dorf in der Nähe von Tana gefahren (dem Ort in dem Mamy aufgewachsen ist) um das Spital, welches sie mit Hilfe aus der Schweiz dort aufgebaut, hat zu besuchen. Es ist ein kleines Spital aber wirklich sehr gut ausgestattet (besser als in meinem Krankenhaus). Es gibt zwei Allgemeinärzte, eine Hebamme, einen Zahnarzt, glaub zwei Krankenschwestern… Ungefähr so. Wirklich Wahnsinn wie Mamy und André dieses Krankenhaus von der Schweiz aus hier aufgebaut haben.
Dann ist auch noch die Zeitung und das Fernsehen gekommen und Mamy hat mich einfach auf den Zahnarztsessel geschoben und gemeint ich soll das Interview halten. Es ist alles so schnell gegangen und ich fands eigentlich ziemlich lustig. Hab ihnen halt das erzählt was ich wusste – und als ich dann wirklich nicht mehr weiter wusste (weil ich wusste wirklich nicht viel) - hab ich die Kameramänner zu Mamy geschoben die dann unwillig den Rest (also fast alles) erzählt hat.

Tanzen etc., und unsere Spendenaktion mit Olivier…
Nach dem Krankenhaus sind wir ziemlich schnell zurück gefahren und haben bei der Familie von Mamys Bruder gegessen. Mamy hat gekocht und es hat wirklich gut geschmeckt. Nach dem Essen haben wir ziemlich laut Musik aufgedreht und sind eine Weile um den Tisch getanzt. (Das können die Madagassen wirklich gut. Ständig tanzen, singen und sich einfach freuen! Der Peinlichkeitsgrad ist hier um einige Grad verschoben. Wenn wir uns in Europa schon blamieren wenn wir „alle meine Entlein“ singen, freuen sie sich hier umso doppelt, auch wenn du noch so schief und schrecklich singst!)
Danach sind wir in ein Kabarett gegangen (so heißt hier alles, wo vorne eine Band spielt und man entweder an Tischen sitzt oder tanzt). Das war nett. Wir haben getanzt und so weiter.
Am Abend, schon recht spät, bin ich dann nach Hause gekommen und hab noch mit Rado und Olivier über unsere Spenden gesprochen. Hab ihnen von unseren Plänen erzählt. Ich glaub es wär eine gute Idee wenn wir mit Olivier zusammen arbeiten. Schließlich ist er auch Arzt und wir kennen uns jetzt schon so gut und ich weiß dass ich ihm vertrauen kann. Er plant zurzeit ein Drogenzentrum aufzubauen. Vielleicht können wir da helfen, oder ähnliches. Ich werd das noch genau mit ihm besprechen!

Abfahrt nach Mahajanga

Am nächsten Morgen wollten wir schon um 10 in den Norden abfahren um noch einiges von der Strecke zu sehen, aber, wie immer sind wir dann erst um 12 losgefahren. Mamy hatte mir vorher erklärt, sie wolle nicht mit dem Flugzeug reisen, weil die Preise zu hoch, sonder fahre lieber mit dem Bus (Taxi Brousse). Aber mit dem Taxi Brousse (das normale Transportmittel auf langen Strecken für die Madagassen) wollte Mamy nicht nehmen, weil sie Angst vor den Fahrern hat, die oft zu schnell fahren. Ich verstehe sie. Vor zwei Jahren hat sich so ein Taxi Brousse mit ihr zwei mal überschlagen. Zwei Tote, aber sie hat sich nichts getan. Ich verstehe ihre Angst. Wir mieteten also ein Taxi Brousse, für uns alleine.
Die Strecke war eigentlich nicht so spannend. Wir sind erst stundenlange durch das Hochland gefahren. Ewige Hügel und die Straße, die sich durch das grüne Land kringelt. Man hat das Gefühl, man kommt nicht vom Fleck. Die Hügel verschieben sich einmal nach rechts, einmal nach links, einmal sieht man das ganze von Oben, dann wieder aus einem Tal, aber sonst nichts Neues.

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Ankunft in Mahajanga
Wir kamen irgendwann gegen 22:00 Uhr in Mahajanga an und gingen erst mal in ein Hotel. Wir wollten erst am nächsten Tag Mamys Freundin suchen, bei der wir wohnen sollten. Trotz allem stellten wir unsere Sachen nur schnell ab, denn Mamy musste weiter zu ihrem Vater, der auch in Mahajanga wohnt. (Ihm hatte sie ebenfalls nicht erzählt dass wir kommen). Ich war natürlich verwundert. Fragte, ob es nicht zu spät sei jetzt noch einen Besuch abzustatten. (Die meisten Madagassen gehen zwischen 20:00 und 21:00 Uhr schlafen). Sie sagte, er schlafe sicher schon, aber seine Frau (seine zweite Frau, also nichts Mamys Mutter) sitze sicher noch vorm Fernseher.
m2Also, wir wieder los. Vor dem Hotel stand ein Pousse-pousse (bei uns bekannt als Rikschah). Tiana und ich versuchte Mamy zu überzeugen mit dem Pousse-pousse zu fahren aber sie sagte, sie sei doch ein Mensch und halte sich keine Sklaven. Ich lachte, mir war es ja am Anfang auch so gegangen. Aber jetzt wollte ich eigentlich lieber ein Pousse-pousse als ein Taxi nehmen. Weil die Pousse-poussefahrer wirklich arm sind. Ihr Pousse-pousse ist ihre Arbeit, ihr Haus, ihr Bett…; ja, sie haben nichts anderes. Aber den Taxifahrer geht es schon recht gut.
Na trotzdem, wir fuhren also mit einem Taxi zu ihrem Vater und klopften dort an die kleine Holztür. Alles war wie vorausgesagt. Seine Frau, die noch vorm Fernseher hockte, öffnete uns und weckte ihren Mann. Wir gingen in das kleine Haus und hockten uns mit vor den Fernseher. Es war zum ersticken heiß in diesem Zimmerchen und ich verstehe bis heute nicht was die Madagassen die ganze Zeit an ihrem Fernseher finden… Immer und immer wieder die gleichen französischen Soapoperas mit den europäischen Beziehungskrisen und so weiter. Wird bleiben ein Weile, redeten über dies und das und Mamys Vater bestaunte Tiana, seinen Enkel den er immerhin seit 13 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Dann fuhren wir zurück ins Hotel.
Auch im Hotel war es schrecklich heiß, und nur alle 10 Sekunden wenn der Ventilator wieder seine Runde gedreht hatte und mir ins Gesicht blies hatte ich das Gefühl die Nacht überleben zu können. Ich glaube ich schlief sogar ein bisschen.

Am nächsten Morgen stand Mamy schon früh auf. Sie sagte mir, sie würde gegen Mittag zurückkommen und dann würden wir zu ihrer Freundin umziehen. Der Tag wurde lang. Mamy kam erst am Abend wieder und Tiana und ich versuchten unsere Zeit totzuschlagen. Wir gingen ein bisschen spazieren aber ich konnte mit dieser Stadt überhaupt nichts anfangen. Überall standen große Hotels, aber nirgends sah man Leute. Ganz Mahajanga schien nur aus großen, toten Häusern zu bestehen. Es gab fast keine Stände auf den Straßen und auch Geschäfte sah ich fast keine. Ich wunderte mich wirklich, wie die Menschen (die wenigen, die man sah) lebten. Von was lebten die? Wo kauften die ihr essen? Wo kauften sie ihre Kleider? Verdammt, was arbeiteten sie? Wir kauften Bananen auf einem ziemlich toten Markt. Ein reiner Beschiss. Fünf mal so teuer wie in Tana, und es waren Kochbananen. Nicht zum Essen genießbar.
Dann wieder im Hotel. Ich versuchte ein Buch zu lesen. Aber, hatte Kopfschmerzen und es war einfach selbst zum denken zu heiß. Am Nachtmittag gingen wir noch einmal ein Eis kaufen aber sonst warteten wir im Hotel auf Mamy. Am Abend kam sie dann. Ziemlich aufgebracht. Sie habe ihre Freundin nicht gefunden und das ganze Land sei wirklich ein Land der Chaoten. Wir würden also noch einmal eine Nacht im Hotel bleiben.

Später telefonierten wir dann in die Schweiz zu André, Mamys Mann. Er sagt mir Mamy solle Franka einrufen, eine andere Freundin, wo wir vielleicht wohnen könnten.
Ich sagte Mamy also, Franka anzurufen. So erfuhr ich, dass Franka auf Nosy Be wohnt. Nosy Be, wusste ich, ist das Urlaubsparadies Madagaskars und wär am liebsten gleich los gefahren aber die Fähre ging erst zwei Tage später.
Am nächsten Tag zogen wir dann um. Zu Mamys Vater, in das schrecklich heiße Zimmer. Ich fand es echt lieb von ihm, uns in sein kleines Haus aufzunehmen. Hier war es schon besser. Zwar noch heißer, aber ich hatte das Gefühl das Leben hier besser zu verstehen. Es gab kleine Stände an den Straßen und ich sah sogar andere Menschen. Ich glaub wir spazierten den ganzen Tag hin und her und ich kaufte mir einen Regenschirm als Sonnenschutz.

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platz vor dem haus von mamys vater

Am Abend gingen wir dann essen mit ihrer Familie, aber nicht so viel weil Mamy noch zu einer anderen Freundin essen gehen wollte. Nach dem ersten essen spazierten wir zum den Restaurant von ihrer Freundin und wollten dort auf Mamy warten (die noch schnell ins Hotel gefahren war um ein paar Schuhe und Schokolade für ihre Freundin zu holen). Wir warteten ewig. Ein paar Stunden später bekamen wir einen Anruf von einer aufgeregten Mamy, die ihre Bauchtasche suchte. Aber auch wir wussten nicht wo diese war. Also legte sie auf und wir warteten weiter. Nach wiederum einer halben Stunde kam sie dann. Sie war so wütend dass man sie nicht ansprechen konnte. Sie hyperventilierte und ich hatte Angst sie würde jeden Moment einen Herzinfarkt erleiden. Man riet ihr zur Polizei zu gehen und so verschwand sie mit dem nächsten Taxi. Ich machte mir wirklich Sorgen um sie. Aber Tiana versicherte mir, es bestehe keine Gefahr. In ihrer Bauchtasche waren ihr Geld, ihr Pass und ihr Flugticket.
Am nächsten Morgen erzählte Mamy was passiert war. Mit der Polizei war sie in das erste Restaurant zurück gefahren und hatte dort nach der Bauchtasche gefragt. Doch das Personal hatte nichts gesehen, nichts gehört, wusste einfach von nichts. Aber Mamy hackte nach. Bat darum, ihr wenigstens ihren Pass wieder zu geben. Aber, keine Reaktion seitens des Personals. Als das Protokoll (eigentlich keine Ahnung über was) fertig war, drohte Mamy der Bedienung sie ihres Postens zu entledigen (Mamys Onkel arbeitet bei der Polizei). Und hops, fragte man plötzlich wie den die Bauchtasche ausgesehen hatte, und so spurlos wie sie verschwunden war tauchte sie auch plötzlich wieder auf. Nicht einmal das Geld war geklaut worden.

Aufbruch nach Nosy Be
Am nächsten Tag kauften wir die Tickets nach Nosy Be. Da Mamy Angst vor Schiffen hat kauften wir nur zwei Tickets. Mamy wollte fliegen. Also auf zu Air Madagskar. Auf halben Weg hielt Mamy an und setzte mich und Tiana beim Friseur ab. Der schnitt Tiana die Haare, und Mamy meinte sie komme gleich wieder. Tat sie aber nicht. Als sie zwei Stunden später noch immer nicht wieder da war gingen wir zum Meer. Es war Nachmittag und das erste mal, dass mir die Stadt gefiel. Wir spazierten an der Strandpromenade entlang und ich unterhielt mich erst mit einem Franzosen und dann sogar mit einer Deutschen. War also gut gelaunt, als ich sogar noch Freunde aus meiner Nachbarschaft in Tana traf. Wir machten uns gleich aus am nächsten Tag an einen Strand zu fahren und ich war wirklich froh mich ein bisschen selbstständig machen zu können. Dann trafen wir Mamy, die mit Freunden unterwegs war. Wir gingen zusammen etwas essen und der Abend war echt nett. Der Bruder von ihrer Freundin lebte in Frankreich und wir redeten über europäische Politik (ich glaube es war mein erstes Gespräch mit einem Madagassen über Weltpolitik). Er erzählte, dass Deutschland immer rechter würde und trotz diesen schlechten Neuigkeiten freute ich mich. Freute mich über das Gespräch, freute mich wieder neue Leute kennen gelernt zu haben und freute mich, als er uns zu sich einlud.
Am nächsten Tag kamen meine Freunde aus Tana nicht zu unserem Treffpunkt. Oder vielleicht war ich einfach nur zu ungeduldig lange zu warten. Ich verlor auf jeden Fall sehr schnell die Geduld und fuhr mit einem Taxi zu dem Freund vom gestrigen Abend. Er fuhr mich zum Strand und ich bekam das erste Mal das Gefühl von Urlaub. Das Meer war zwar schmutzig aber warm und ich genoss es einfach mal alleine hin und her schwimme zu können.
Ich fühlte mich sehr wohl bei diesen Leuten. Die Schwester von Gabi, dem der in Frankreich wohnt, erzählte mir viel von ihren Kinder und wir verstanden uns sehr gut. Es kam sogar so weit, dass wir alle zusammen ein Brettspiel spielten. Die Freunde (sie sind recht wohlhabend) baten sogar ihre Küchenangestellten mir vegetarisches Essen zu kochen. Ich war also endlich sehr zufrieden.

Am nächsten Tag gings dann auf nach Nosy Be. Auf dem Schiff lernte ich viele neue Leute kennen. Zwei Franzosen, die mit ihren Fahrrädern sechs Monate durch Madagaskar reisten, zwei Niederländerinnen, die ebenfalls schon drei Monate hier waren, und zwei Franzosen, die mich gleich mit auf ihre Reise nehmen wollten.
Am nächsten Tag war ich dann Seekrank. (Die Reise dauerte 23 Stunden). Ich weiß auch nicht was ich mir vorgestellt hatte. Hatte mir aber irgendwie dieses Schiff komfortabler ausgemalt. Gott seid Dank hatten wir zweite Klasse gebucht. Die zweite Klasse saß auf alten Flugzeugsesseln im inneren des Bootes, wogegen die dritte Klasse oben auf dem Deck unter einer Plane auf Holzbänken untergebracht war. Als ich dann auf meinem Flugzeugsessel aufwachte war mir so schlecht dass ich mich gleich mal über die Reling hängte und das Abendessen dem Meer übergab. Danach legte ich mich ins Freie und (wieder ein anderer) Franzose brachte mir irgendwelche Medikamente. Wir unterhielten uns lange. Er plant ein echt spannendes Projekt und hat mich schon eingeladen dabei mit zu machen. Und zwar möchte er in zwei oder drei Jahren mit einem kleineren Boot an der Nordwestküste Madagaskars zu entlegenen Dörfern fahren und dort mit zwei Ärzten aus der Reunion einfache Krankheiten heilen (so eine Art Erstversorgung). Er arbeitet bereits drei Jahre an diesem Projekt und hat auch schon eine Organisation gegründet und einige Spenden beisammen. Ich warte zurzeit auf sein Email (dass er mir hoffentlich irgendwann schickt) mit der Adresse seiner Homepage (die noch nicht online ist, weil noch im Aufbau begriffen).

Franka und die Freunde auf Nosy Be

Auf Nosy Be angekommen holte uns Franka vom Hafen ab. Ich mochte sie vom ersten Augenblick an. Wir fuhren gleich mal eine große Runde auf der Insel, so dass wir etwas von der Landschaft sehen konnten.
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Nosy Be ist wirklich der Traum. Das Dorf in dem wir lebten, die Partystadt schlechthin. Außerdem ewig weiße Strände, klares Wasser, viele Früchte und hübsche, nette Leute.
Die beiden Franzosen vom Schiff (mit denen ich weiter reisen wollte) waren zufällig im gleichen Dorf gelandet und so war ich sicher, dass mir nicht langweilig werden würde.
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Am zweiten Tag lernte ich dann eine Menge Einheimischer am Strand kennen, die mich gleich mit feiern nahmen. Wie so oft, fiel die halbe Nacht der Strom aus und so machten wir selber Musik. Einige Mädels (24 Stunden im Bikini) tanzten und sangen und der Rest klatsche. Die Lieder funktionieren so, dass immer der gleiche Refrain gesungen wird und dazwischen ein Sänger irgendwas improvisiert. Ich kam nicht daran herum auf Deutsch zu improvisieren (aber da alle schon angeheitert waren musste mir das auch nicht peinlich sein). Später sind wir dann ins Dorf tanzen gegangen. Das ist wirklich ein trauriger Anblick: überall weiße, fette Männer die mit einer hübschen Bikini-Madagassin über die Straßen schlendern. Die Jungs mit denen ich unterwegs war sagten mir, dass alle Mädels in ihrem Freundeskreis bereits mit Franzosen verheiratet sind. Die ganzen Kinder (die auch beim feiern dabei waren) also kleine Halbfranzosen waren.
Wir sind noch an den Strand gegangen, dann zu einer Freundin Kuchen essen und später, keine Ahnung wie spät es war, bin ich zurück nach Hause.
Das Haus in dem wir wohnten (wirklich recht schön) wird natürlich nachts bewacht. Der Nachtwächter hatte aber von Innen das Tor verriegelt und so kam ich nicht hinein. Ich klopfte und rief ihn, aber er kam einfach nicht. Da entschloss ich über das 3 Meter Tor zu klettern. Ich hatte einen Rock an und das ganze war recht mühsam. Als ich auf der anderen Seite angekommen war, glücklich endlich drinnen zu sein, kam plötzlich der Wärter mit knallroten Augen, über seinem Kopf einen Knüppel schwingend, auf mich zu gerannt. Man, ich hatte echt Angst. Redete schnell auf ihn ein, sagte ihm ich wohne jetzt auch hier. Meine weiße Hautfarbe rettet mich wahrscheinlich vor schweren Verletzungen. Ich zeigte ihm den Haustürschlüssel, den mir Franka gegeben hatte, und er lies mich passieren.

Weiße Stränge, Mangos, Lemuren und meine Zukunftspläne 
Die folgenden Tage waren echt schön. Meine neuen Freunde haben mir die Insel gezeigt und alles was es dort gibt. Mein Nachbar hatte einen Lemuren (das sind die kleinen affenartigen Tiere, die es nur hier auf Madagaskar gibt). Der war so süß. Ich hät ihn am liebsten mitgenommen. Jedes Mal wenn ich vorbei gekommen bin ist er mir schon um den Hals gesprungen. Ich hab ihm manchmal Bananen mitgebracht und dann hat er sich auf meinen Kopf gesetzt und sie dort vermampft.
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Wenn ich Hunger hatte hab ich einen von den Jungs gefragt mir Mangos zu holen. Die sprießen dort nur so aus dem Boden. Alles voller Mangobäume die die darauf warten, geerntet zu werden. Manchmal haben sie mir auch Kokosnüsse geholt, aber das ist ein bisschen schwieriger, weil die Palmen schwierig zum beklettern
Ansonsten waren wir jeden Tag schwimmen und sind manchmal auch mit kleinen Kanus an entlegene Stränge gepaddelt.
Nach einer Woche hat es mir dann trotzdem gereicht. Es ist einfach so wahnsinnig heiß dort und alles voller Moskitos. Also hab ich beschlossen nach Hause zu fahren.
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Am letzten Abend haben wir noch Froschschenkel gegessen und ich hab mich lange mit Franka über Kulturunterschiede und meine Zukunft unterhalten. Hab ihr von meinen Studienplänen erzählt und gesagt, dass ich mich, falls ich noch viele Kinder bekommen möchte, ein bisschen beeilen muss. (Nachdem ich jetzt 3 Monate mit 11 Leuten unter einem Dach gewohnt habe, schätze ich diese großen Familien wirklich! Eigentlich hab ich mir das bei Anna schon so oft gedacht…). Franka hat gelacht und gemeint, wir Europäer sind wirklich kompliziert. Wir planen unser ganzes Leben von vorne bis hinten und dann kommt doch alles ganz anders. Sie hat genug Europäer kennen gelernt, die erst nach ihrem Studium Kinder bekommen wollten, und sie haben sie bis jetzt nicht, weil nie der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Wenn ich irgendwann Lust auf Kinder habe, soll ich das sofort angehen, sagt sie! (…ich seh schon meinen Papa seine Hände über seinen Kopf zusammen schlagen. So was von unüberlegt…). Aber ja, ich soll meine Eltern um Hilfe fragen! Das haben die Europäer verlernt, die Solidarität mit ihrer Familie zu bewahren. Wenn in Madagaskar jemand ein Kind bekommt freut man sich einfach, weil die Familie wächst. Wo und bei wem das Kind aufwächst, regelt sich schon von alleine. Franka überlegt. Wenn sie ihr Leben rückbetrachtet sind ihre eigenen Kinder das größtes Geschenk was sie jemals bekommen hat. Die Familie das, was wirklich zählt. Deshalb sagt sie ihrem Sohn (22 Jahre), wenn er Kinder bekommen will, sie ist die erste die ihm hilft diese aufzuziehen. Und ich solle das genauso machen. Ja nicht zu lange warten! Franka lacht wieder. Sie meint, dass was sie in ihrem Leben versucht, ist möglichst viele glückliche Stunden zu sammeln. Sie ist zwar Christin, aber mit dem Leben nach dem Tot ist sie sich nicht so sicher. Also lieber jetzt so glücklich sein wie möglich. Sie erinnert sich an ihre Großmutter die 17 Enkel hatte. Doch als sie alt wurde und bald sterben musste waren nur drei in ihrer Nähe, die anderen hatte das Leben weit weg getragen. Gott sei gelobt, dass sie so viele Enkel hatte. Sonst wäre vielleicht niemand mehr zu ihre gekommen…
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franka

Eine lange Reise
Am nächsten morgen sind wir schon um 5:30 aufgestanden, um das erste Boot aufs Festland zu nehmen. (Beim Hinweg nach Nosy Be hatten wir den Meerweg gewählt, aber diese Fähre gibt es nur ein Mal in der Woche. Deshalb mussten wir jetzt nur die kleine Strecke zum Festland überqueren und dann auf dem Landweg zurückfahren).
Tiana und ich nahmen ein kleines Speedboot um auf die große Erde (so nennt man hier das Festland) zu gelangen. Wir waren zu zwölft und schon nach 45 Minuten wieder auf festen Boden. Ich war sehr zufrieden. Keine großen Wellen und der Weg zu kurz, um Seekrank zu werden. Dort warteten gleich duzende Taxifahrer auf uns, die mir sofort das Gepäck aus den Händen rissen und in ihr Auto verluden. Glücklicherweise half mir ein Mann, den ich im Boot kennen gelernt hatte, das richtige Taxi zu nehmen und wir fuhren gemeinsam in die nächste größere Stadt, Ambanja, wo ich das Taxi nach Tana nehmen sollte. Noch war Tiana auch dabei. Wir saßen zu fünft auf der Rückbank eines kleinen Autos und als ich aussteigen wollte, war mein Bein so eingeschlafen dass ich hinfiel. Die Fahrt ging durch Kaffee und Kakaowälder und einmal ließen sie das Taxi anhalten, um mir eine Kakaofrucht zu pflücken. (Die liegt jetzt neben mir und wartet darauf geknackt zu werden, damit ich die Kakaobohnen trocknen kann.) Als wir in Ambanja ankamen, wieder der gleiche Stress: nur nicht das Gepäck aus den Augen verlieren! Ich sagte nur einmal dass ich nach Tana müsse, und dann rannte ich meiner Tasche hinterher die in einen großen Van verfrachtet wurde. Und ich auch. Tiana hatte ich aus den Augen verloren, denn er musste jetzt das Taxi zurück nach Mahajanga nehmen, wo er Mamy treffen sollte. Ich hatte nicht mal Zeit mich von ihm zu verabschieden und hoffe er hat den Weg alleine gefunden.
In meinem Van waren alle Fensterplätze schon belegt. Ich bereu es jetzt noch, dass ich nicht nach einem Fensterplatz gefragt habe, denn, was auf der Karte so kurz aussah (ca 700 Kilometerchen nach Tana) beanspruchte uns 27 Stunden Busfahrt! 27 Stunden auf dem gleichen Sessel kleben. 27 Stunden keine Wand zum anlehnen haben (denn ich hatte ja einen Mittelplatz). 27 Stunde nicht wissen, wann wir endlich ankommen.
Die ersten paar Stunden saß ich neben zwei Studenten, die aber dann ausstiegen. Danach machte ich eine interessante Bekanntschaft. Ein Südafrikanischer Missionar versuchte an mir sein Glück. Erst war ich eigentlich ziemlich genervt. Glaubte, das Leben hätte mich mal wieder bestraft. Nach drei Monaten gescheiterten Missionarsversuchen, jetzt auch noch diese ewige Busfahrt neben einem Diener Gottes zu verbringen…. Aber dann wurde das Gespräch ziemlich interessant. Ich konnte ihm sein Gerede nicht übel nehmen, denn er war einfach vom Haaransatz bis zu den Fußspitzen so glücklich. Das sah man von 300 Metern. Freute sich über jede Sekunden an seinem Leben. Er erzählte mir, er sei jetzt schon seit einem Jahr in Madagaskar und liebe dieses Land. Liebte alle Madagassen. Bei jeder Möglichkeit hängte er sich aus dem Fenster und winkte und schrie den Leuten am Straßenrand irgendwas zu (sein Madagassisch ist übrigens noch schlechter als meins). Und dann redeten wir über tausend Sachen. Wir redeten zum Beispiel über den Nahen Osten. Er sagte, immer und immer wieder setzen sich die Politiker zusammen um über Friedenslösungen zu diskutieren. Aber solange der Hass zwischen den Israelis und den Palästinensern anhält, wird kein Friedensplan von Dauer sein. Erst wenn die Menschen sich lieben lernen (also mit seinen Worten Gott kennen lernen, der ja die Liebe ist) kann Friede entstehen.
Wir bräuchten hier auf dieser Erde mehr von seiner Sorte. Er hat mit seiner Organisation schon einige Spitäler aufgebaut und arbeitet zurzeit an zwei Schulen. Und eigentlich ist mir egal ob er Christ, Moslem oder Hindu ist. Seine Botschaft ist einfach und klar. Er versucht mit viel Liebe möglichst vielen Menschen zu helfen.
Außerdem war er der erste Missionar, der mir nur einmal gesagt hat, er wisse das Jesus auf mich wartet. Und dann hat er aufgehört mich ständig von seinem Gott zu überzeugen. Er war sich einfach so sicher, dass sein Gott der richtige ist und ich ihn schon zum richtigen Zeitpunkt finden werde. Ich würde ihn schon hören. Also fragte ich, woher ich denn wisse ob das sein Gott und nicht Allah oder Krishna sei, der mich da ruft. Die Frage störte ihn gar nicht. Er versicherte mir sogar, ich solle mir nur alle gut anschauen. Dann würde ich schon merken, dass es nur einen Gott gibt. Wir redeten noch viel. Aber das werd ich vielleicht ein anderes Mal aufschreiben.
Wir fuhren die ganze Nacht. Teilweise war die Straße nicht mal asphaltiert und wir erreichten Geschwindigkeiten von 20 km/h (und trotz dem Schleichtempo wurden wir noch ordentlich durchgeschüttelt). Der Missionar sagte mir er würde schon früher aussteigen, kurz vor der Endstation, weil er gleich neben der Straße wohne. Ich sagte ihm das gleiche (den ich wohne auch neben der Straße die von Tana nach Norden führt). Aber als wir dann an seinem Haus vorbeifuhren (er freute sich wie en kleines Kind) hielt der Taxifahrer nicht an. Sagte, es sei verboten hier in Tana das Gepäck von dem Dach herunter zu holen. Ich war inzwischen schon so müde, dass ich über die ganze Situation nur noch lachen konnte. Wir beiden Nicht-Madagassen, versuchen einen ganzen Bus davon zu überzeugen jetzt aussteigen zu wollen. Was uns vor einigen Stunden noch freundlich bestätigt wurde, schien jetzt unmöglich. Der Missionar schrie ständig mit einem freundlichen Lächeln nach vorne: „Tsy mety“ (was so viel heißt wie: nicht gut!). Nachher fügte er noch ein „be“ hinzu. „Tsy mety be“ (man könnte das mit: Nicht gut, viel! Übersetzten). Dann lachten wir beide über seine Madagassischversuche, die leider nicht verstanden werden wollten. Ich war mir bis jetzt sicher gewesen, dass der Fahrer trotzdem bei meinem Haus anhalten würde (denn ich, ein junges Mädchen, schon fleißig mit ihm geflirtet und so weiter…). Aber auch mir wurde das Glück versagt. Es war wirklich verrückt. Jetzt saßen wir seit 27 Stunden in diesem Bus um nach Hause zu fahren. Und da kommt man endlich an und fährt schließlich einfach an seinem Haus vorbei. Also, ab in die Stadt. Da ging das gleiche Trara wie vorher in Ambanja weiter. Mein Gepäck wurde gleich von irgendeinem kleinen Mann gepackt, der es irgendwo hinverfrachten wollte. Willig lief ich nur noch ihm und dem Missionar hinterher, der mich auf eine Taxifahrt nach hause einlud. Zahlt dem kleinen Mann 20 Cent (dafür dass er ja freundlicherweise mein Gepäck in den Kofferraum vom Taxi gepackt hatte) und lies mich mit dem Missionar nach Hause bringen.
Es war echt schön wieder in meine Straße zu fahren. Ich lud mein Gepäck aus und schon an der Tür zu unserem Hof kam mir Elia (mein 17 jähriger Bruder) entgegen und half mir meine Sachen ins Zimmer zu tragen. Man war das schön. Seit langem jemand bei dem ich wusste er wollte kein Geld von mir, und einer, dem ich nicht hinterher rennen musste um sicher zu sein, meine Sachen wurden nicht geklaut. Auf halben Weg riss dann noch meine Tasche und eine Flasche zersprang wegen der Hitze. Ihr Inhalt (eingelegte Zitronen) ergoss sich auf dem ganzen Hof. Gott, ich war echt froh dass das alles hier zu Hause passierte. Wir lachten nur und dann ging ich schlafen.
Es war wirklich wie nach Hause zu kommen. Die Leute im Viertel haben sich alle gefreut und ich weiß endlich wieder an wem ich bin. Weiß, dass mich hier zu Hause niemand versucht zu verarschen und genieße jetzt einfach noch die letzten Tage in Tana mit meinen Freunden hier.

Es gibt noch viel zu tun. Die ersten und letzten Postkarten müssen geschrieben, unser Spendengeld gut angelegt werden, und schließlich muss ich mich von tausend Leuten verabschieden. Und in 11 Tagen, Donnerstag der 19.10.06, um 14:45 wird dann mein Flugzeug in Wien landen. (Ich hoffe es gibt keine Probleme mit meinem Flug, den mein vorläufiger Reisepass ist nur bis zum 20.10 gültig.) Ich freu mich schon so auf euch alle!!!
Igelborste - 21. Okt, 10:40

Schön..

Du hast ja viel erlebt... Am besten hat es mir das Foto mit Lemuren gefallen:-)
Hm, ich bin kurz aus London zurück, da ist nicht so warm wie auf Madagascar:-)

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eduard hartmann - 30. Nov, 15:35
Weißt du schon neues,...
Weißt du schon neues, wegen deinem Studienplatz?
Kaweechelchen - 9. Nov, 22:53
ersten Eindrücke aus...
….ich schreibe nach zweieinhalb Wochen Österreich....
Pia.H - 8. Nov, 21:30

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