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Dienstag, 10. Oktober 2006

lange reise

…und noch immer nicht hab ich mich von dieser ewigen Busfahrt erholt… Aber ich versuch wieder mal am Anfang anzufangen. Ich erinnere mich:


Erstes Treffen mit Mamy…
Nachdem wir Rados Geburtstag gefeiert hatten, fuhren wir gleich anschließend zum Flughafen um Mamy abzuholen. Ich hatte keine Ahnung wie Mamy ausschaut, außer, so sagte man mir, dass sie klein sei. Als sie dann endlich ankam, war sie ganz anders als ich sie mir vorgestellt hatte (nicht das ich mir konkret was vorgestellt hatte, aber hät ichs getan wärs ganz anders gewesen). Außer dass sie klein ist, ist sie eine recht harte Raucherin, redet viel, lacht viel und regt sich schnell auf (auf jedem Fall wird einem mit ihr niemals langweilig). Ihr Sohn, Tiana, ist 27 Jahre alt, Schweizer Karatemeister, und sehr, sehr schweigsam. Mamy hatte ihm erst eine Woche vor ihrem Abflug von der Reise erzählt. Tiana war bis er 13 Jahre alt war in Madagaskar aufgewachsen und später dann mit seiner Mutter in die Schweiz gezogen und seit dem nicht mehr nach Madagaskar gekommen. Hier waren sie also, die beiden, und ebenso wie Mamy ihrem Sohn erst so kurzfristig von der Reise erzählt hatte, hatte sie niemandem in Madagaskar von ihrer Ankunft berichtet. Der Mann von ihrem zweiten Sohn (sie hat drei Kinder), auch Madagasse, sollte sie vom Flughafen abholen aber (da sie ihm erst einen Tag vorher Bescheid gesagt hatte) verschlief er wir mussten lange auf ihn warten. Als er dann endlich da war, haben wir die beiden noch ins Hotel gebracht und dann bin ich nach hause und todmüde ins Bett gefallen.

Mamy überrascht ihren Bruder…

Am nächsten Morgen (am Sonntag) bin ich dann in die Stadt gefahren um Mamy im Hotel zu treffen. Als ich in ihr Zimmer kam schlief ihr Sohn Tiana noch, laut schnarchend, und neben ihm auf einem Sessel saß ein bärtiger Mann, der, so sagte mir Mamy, Tianas leiblicher Vater war. Gestern war sie mir nichts dir nichts mit Tiana zu seinem Haus gefahren um ihn nach 13 Jahren Funkstille mal wieder seinen Sohn sehen zu lassen. Mamy ist immer für Überraschungen gut…. Hihi!
Wir sind dann zu dritt (Mamy, Tianas Vater und ich) runter in das Cafe des Hotels gegangen um zu Frühstücken. Mamy war ziemlich wütend. Sie sagte mir, man hätte sie beschissen. Sie hatte gestern Nacht (wahrscheinlich schon angeheitert) in der Bar des Hotels beim Bezahlen der Getränke 30 Euro zu viel gezahlt. Und, so kalkulierte ich später, hatte ebenfalls beim Tanken dem Tankwart 30 Euro zu viel gegeben. (Papa, wenn du jemals wieder sagst ich bin chaotisch, dann werd ich dir einmal Mamy vorstellen… Aber es geht ja noch weiter…). Sie war also wütend. Willkommen im Land der Chaoten, sagte sie mir ständig. Die bescheissen ja ihre eigenen Leute! Ab diesem Zeitpunkt jedenfalls übergab sie mir (wenn ich in der Nähe war) ihren Geldbeutel zum Bezahlen sämtlicher Rechnungen.
So warteten wir im Cafe auf Tiana und, wie sie mir dann erzählte, auf ihren Bruder. Sie hatte ihn gestern Nach angerufen und ihm erzählt sie sei jetzt in Madagaskar. Die beiden hatten ausgemacht, dass er mit seiner Familie rein zufällig am Cafe vorbeispazieren würde und sie dann seine Familie überrasche.
Die Familie kam dann auch und Mamy freute sich wie ein Honigkuchenpferd. Sie sprang auf und ab und umarmte die 3 Kinder und alle. Das war wirklich eine nette Überraschung.

Besuch im Krankenhaus von Mamy…

Nachher sind wir dann mit dem Bus von ihrem Bruder in das Dorf in der Nähe von Tana gefahren (dem Ort in dem Mamy aufgewachsen ist) um das Spital, welches sie mit Hilfe aus der Schweiz dort aufgebaut, hat zu besuchen. Es ist ein kleines Spital aber wirklich sehr gut ausgestattet (besser als in meinem Krankenhaus). Es gibt zwei Allgemeinärzte, eine Hebamme, einen Zahnarzt, glaub zwei Krankenschwestern… Ungefähr so. Wirklich Wahnsinn wie Mamy und André dieses Krankenhaus von der Schweiz aus hier aufgebaut haben.
Dann ist auch noch die Zeitung und das Fernsehen gekommen und Mamy hat mich einfach auf den Zahnarztsessel geschoben und gemeint ich soll das Interview halten. Es ist alles so schnell gegangen und ich fands eigentlich ziemlich lustig. Hab ihnen halt das erzählt was ich wusste – und als ich dann wirklich nicht mehr weiter wusste (weil ich wusste wirklich nicht viel) - hab ich die Kameramänner zu Mamy geschoben die dann unwillig den Rest (also fast alles) erzählt hat.

Tanzen etc., und unsere Spendenaktion mit Olivier…
Nach dem Krankenhaus sind wir ziemlich schnell zurück gefahren und haben bei der Familie von Mamys Bruder gegessen. Mamy hat gekocht und es hat wirklich gut geschmeckt. Nach dem Essen haben wir ziemlich laut Musik aufgedreht und sind eine Weile um den Tisch getanzt. (Das können die Madagassen wirklich gut. Ständig tanzen, singen und sich einfach freuen! Der Peinlichkeitsgrad ist hier um einige Grad verschoben. Wenn wir uns in Europa schon blamieren wenn wir „alle meine Entlein“ singen, freuen sie sich hier umso doppelt, auch wenn du noch so schief und schrecklich singst!)
Danach sind wir in ein Kabarett gegangen (so heißt hier alles, wo vorne eine Band spielt und man entweder an Tischen sitzt oder tanzt). Das war nett. Wir haben getanzt und so weiter.
Am Abend, schon recht spät, bin ich dann nach Hause gekommen und hab noch mit Rado und Olivier über unsere Spenden gesprochen. Hab ihnen von unseren Plänen erzählt. Ich glaub es wär eine gute Idee wenn wir mit Olivier zusammen arbeiten. Schließlich ist er auch Arzt und wir kennen uns jetzt schon so gut und ich weiß dass ich ihm vertrauen kann. Er plant zurzeit ein Drogenzentrum aufzubauen. Vielleicht können wir da helfen, oder ähnliches. Ich werd das noch genau mit ihm besprechen!

Abfahrt nach Mahajanga

Am nächsten Morgen wollten wir schon um 10 in den Norden abfahren um noch einiges von der Strecke zu sehen, aber, wie immer sind wir dann erst um 12 losgefahren. Mamy hatte mir vorher erklärt, sie wolle nicht mit dem Flugzeug reisen, weil die Preise zu hoch, sonder fahre lieber mit dem Bus (Taxi Brousse). Aber mit dem Taxi Brousse (das normale Transportmittel auf langen Strecken für die Madagassen) wollte Mamy nicht nehmen, weil sie Angst vor den Fahrern hat, die oft zu schnell fahren. Ich verstehe sie. Vor zwei Jahren hat sich so ein Taxi Brousse mit ihr zwei mal überschlagen. Zwei Tote, aber sie hat sich nichts getan. Ich verstehe ihre Angst. Wir mieteten also ein Taxi Brousse, für uns alleine.
Die Strecke war eigentlich nicht so spannend. Wir sind erst stundenlange durch das Hochland gefahren. Ewige Hügel und die Straße, die sich durch das grüne Land kringelt. Man hat das Gefühl, man kommt nicht vom Fleck. Die Hügel verschieben sich einmal nach rechts, einmal nach links, einmal sieht man das ganze von Oben, dann wieder aus einem Tal, aber sonst nichts Neues.

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Ankunft in Mahajanga
Wir kamen irgendwann gegen 22:00 Uhr in Mahajanga an und gingen erst mal in ein Hotel. Wir wollten erst am nächsten Tag Mamys Freundin suchen, bei der wir wohnen sollten. Trotz allem stellten wir unsere Sachen nur schnell ab, denn Mamy musste weiter zu ihrem Vater, der auch in Mahajanga wohnt. (Ihm hatte sie ebenfalls nicht erzählt dass wir kommen). Ich war natürlich verwundert. Fragte, ob es nicht zu spät sei jetzt noch einen Besuch abzustatten. (Die meisten Madagassen gehen zwischen 20:00 und 21:00 Uhr schlafen). Sie sagte, er schlafe sicher schon, aber seine Frau (seine zweite Frau, also nichts Mamys Mutter) sitze sicher noch vorm Fernseher.
m2Also, wir wieder los. Vor dem Hotel stand ein Pousse-pousse (bei uns bekannt als Rikschah). Tiana und ich versuchte Mamy zu überzeugen mit dem Pousse-pousse zu fahren aber sie sagte, sie sei doch ein Mensch und halte sich keine Sklaven. Ich lachte, mir war es ja am Anfang auch so gegangen. Aber jetzt wollte ich eigentlich lieber ein Pousse-pousse als ein Taxi nehmen. Weil die Pousse-poussefahrer wirklich arm sind. Ihr Pousse-pousse ist ihre Arbeit, ihr Haus, ihr Bett…; ja, sie haben nichts anderes. Aber den Taxifahrer geht es schon recht gut.
Na trotzdem, wir fuhren also mit einem Taxi zu ihrem Vater und klopften dort an die kleine Holztür. Alles war wie vorausgesagt. Seine Frau, die noch vorm Fernseher hockte, öffnete uns und weckte ihren Mann. Wir gingen in das kleine Haus und hockten uns mit vor den Fernseher. Es war zum ersticken heiß in diesem Zimmerchen und ich verstehe bis heute nicht was die Madagassen die ganze Zeit an ihrem Fernseher finden… Immer und immer wieder die gleichen französischen Soapoperas mit den europäischen Beziehungskrisen und so weiter. Wird bleiben ein Weile, redeten über dies und das und Mamys Vater bestaunte Tiana, seinen Enkel den er immerhin seit 13 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Dann fuhren wir zurück ins Hotel.
Auch im Hotel war es schrecklich heiß, und nur alle 10 Sekunden wenn der Ventilator wieder seine Runde gedreht hatte und mir ins Gesicht blies hatte ich das Gefühl die Nacht überleben zu können. Ich glaube ich schlief sogar ein bisschen.

Am nächsten Morgen stand Mamy schon früh auf. Sie sagte mir, sie würde gegen Mittag zurückkommen und dann würden wir zu ihrer Freundin umziehen. Der Tag wurde lang. Mamy kam erst am Abend wieder und Tiana und ich versuchten unsere Zeit totzuschlagen. Wir gingen ein bisschen spazieren aber ich konnte mit dieser Stadt überhaupt nichts anfangen. Überall standen große Hotels, aber nirgends sah man Leute. Ganz Mahajanga schien nur aus großen, toten Häusern zu bestehen. Es gab fast keine Stände auf den Straßen und auch Geschäfte sah ich fast keine. Ich wunderte mich wirklich, wie die Menschen (die wenigen, die man sah) lebten. Von was lebten die? Wo kauften die ihr essen? Wo kauften sie ihre Kleider? Verdammt, was arbeiteten sie? Wir kauften Bananen auf einem ziemlich toten Markt. Ein reiner Beschiss. Fünf mal so teuer wie in Tana, und es waren Kochbananen. Nicht zum Essen genießbar.
Dann wieder im Hotel. Ich versuchte ein Buch zu lesen. Aber, hatte Kopfschmerzen und es war einfach selbst zum denken zu heiß. Am Nachtmittag gingen wir noch einmal ein Eis kaufen aber sonst warteten wir im Hotel auf Mamy. Am Abend kam sie dann. Ziemlich aufgebracht. Sie habe ihre Freundin nicht gefunden und das ganze Land sei wirklich ein Land der Chaoten. Wir würden also noch einmal eine Nacht im Hotel bleiben.

Später telefonierten wir dann in die Schweiz zu André, Mamys Mann. Er sagt mir Mamy solle Franka einrufen, eine andere Freundin, wo wir vielleicht wohnen könnten.
Ich sagte Mamy also, Franka anzurufen. So erfuhr ich, dass Franka auf Nosy Be wohnt. Nosy Be, wusste ich, ist das Urlaubsparadies Madagaskars und wär am liebsten gleich los gefahren aber die Fähre ging erst zwei Tage später.
Am nächsten Tag zogen wir dann um. Zu Mamys Vater, in das schrecklich heiße Zimmer. Ich fand es echt lieb von ihm, uns in sein kleines Haus aufzunehmen. Hier war es schon besser. Zwar noch heißer, aber ich hatte das Gefühl das Leben hier besser zu verstehen. Es gab kleine Stände an den Straßen und ich sah sogar andere Menschen. Ich glaub wir spazierten den ganzen Tag hin und her und ich kaufte mir einen Regenschirm als Sonnenschutz.

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platz vor dem haus von mamys vater

Am Abend gingen wir dann essen mit ihrer Familie, aber nicht so viel weil Mamy noch zu einer anderen Freundin essen gehen wollte. Nach dem ersten essen spazierten wir zum den Restaurant von ihrer Freundin und wollten dort auf Mamy warten (die noch schnell ins Hotel gefahren war um ein paar Schuhe und Schokolade für ihre Freundin zu holen). Wir warteten ewig. Ein paar Stunden später bekamen wir einen Anruf von einer aufgeregten Mamy, die ihre Bauchtasche suchte. Aber auch wir wussten nicht wo diese war. Also legte sie auf und wir warteten weiter. Nach wiederum einer halben Stunde kam sie dann. Sie war so wütend dass man sie nicht ansprechen konnte. Sie hyperventilierte und ich hatte Angst sie würde jeden Moment einen Herzinfarkt erleiden. Man riet ihr zur Polizei zu gehen und so verschwand sie mit dem nächsten Taxi. Ich machte mir wirklich Sorgen um sie. Aber Tiana versicherte mir, es bestehe keine Gefahr. In ihrer Bauchtasche waren ihr Geld, ihr Pass und ihr Flugticket.
Am nächsten Morgen erzählte Mamy was passiert war. Mit der Polizei war sie in das erste Restaurant zurück gefahren und hatte dort nach der Bauchtasche gefragt. Doch das Personal hatte nichts gesehen, nichts gehört, wusste einfach von nichts. Aber Mamy hackte nach. Bat darum, ihr wenigstens ihren Pass wieder zu geben. Aber, keine Reaktion seitens des Personals. Als das Protokoll (eigentlich keine Ahnung über was) fertig war, drohte Mamy der Bedienung sie ihres Postens zu entledigen (Mamys Onkel arbeitet bei der Polizei). Und hops, fragte man plötzlich wie den die Bauchtasche ausgesehen hatte, und so spurlos wie sie verschwunden war tauchte sie auch plötzlich wieder auf. Nicht einmal das Geld war geklaut worden.

Aufbruch nach Nosy Be
Am nächsten Tag kauften wir die Tickets nach Nosy Be. Da Mamy Angst vor Schiffen hat kauften wir nur zwei Tickets. Mamy wollte fliegen. Also auf zu Air Madagskar. Auf halben Weg hielt Mamy an und setzte mich und Tiana beim Friseur ab. Der schnitt Tiana die Haare, und Mamy meinte sie komme gleich wieder. Tat sie aber nicht. Als sie zwei Stunden später noch immer nicht wieder da war gingen wir zum Meer. Es war Nachmittag und das erste mal, dass mir die Stadt gefiel. Wir spazierten an der Strandpromenade entlang und ich unterhielt mich erst mit einem Franzosen und dann sogar mit einer Deutschen. War also gut gelaunt, als ich sogar noch Freunde aus meiner Nachbarschaft in Tana traf. Wir machten uns gleich aus am nächsten Tag an einen Strand zu fahren und ich war wirklich froh mich ein bisschen selbstständig machen zu können. Dann trafen wir Mamy, die mit Freunden unterwegs war. Wir gingen zusammen etwas essen und der Abend war echt nett. Der Bruder von ihrer Freundin lebte in Frankreich und wir redeten über europäische Politik (ich glaube es war mein erstes Gespräch mit einem Madagassen über Weltpolitik). Er erzählte, dass Deutschland immer rechter würde und trotz diesen schlechten Neuigkeiten freute ich mich. Freute mich über das Gespräch, freute mich wieder neue Leute kennen gelernt zu haben und freute mich, als er uns zu sich einlud.
Am nächsten Tag kamen meine Freunde aus Tana nicht zu unserem Treffpunkt. Oder vielleicht war ich einfach nur zu ungeduldig lange zu warten. Ich verlor auf jeden Fall sehr schnell die Geduld und fuhr mit einem Taxi zu dem Freund vom gestrigen Abend. Er fuhr mich zum Strand und ich bekam das erste Mal das Gefühl von Urlaub. Das Meer war zwar schmutzig aber warm und ich genoss es einfach mal alleine hin und her schwimme zu können.
Ich fühlte mich sehr wohl bei diesen Leuten. Die Schwester von Gabi, dem der in Frankreich wohnt, erzählte mir viel von ihren Kinder und wir verstanden uns sehr gut. Es kam sogar so weit, dass wir alle zusammen ein Brettspiel spielten. Die Freunde (sie sind recht wohlhabend) baten sogar ihre Küchenangestellten mir vegetarisches Essen zu kochen. Ich war also endlich sehr zufrieden.

Am nächsten Tag gings dann auf nach Nosy Be. Auf dem Schiff lernte ich viele neue Leute kennen. Zwei Franzosen, die mit ihren Fahrrädern sechs Monate durch Madagaskar reisten, zwei Niederländerinnen, die ebenfalls schon drei Monate hier waren, und zwei Franzosen, die mich gleich mit auf ihre Reise nehmen wollten.
Am nächsten Tag war ich dann Seekrank. (Die Reise dauerte 23 Stunden). Ich weiß auch nicht was ich mir vorgestellt hatte. Hatte mir aber irgendwie dieses Schiff komfortabler ausgemalt. Gott seid Dank hatten wir zweite Klasse gebucht. Die zweite Klasse saß auf alten Flugzeugsesseln im inneren des Bootes, wogegen die dritte Klasse oben auf dem Deck unter einer Plane auf Holzbänken untergebracht war. Als ich dann auf meinem Flugzeugsessel aufwachte war mir so schlecht dass ich mich gleich mal über die Reling hängte und das Abendessen dem Meer übergab. Danach legte ich mich ins Freie und (wieder ein anderer) Franzose brachte mir irgendwelche Medikamente. Wir unterhielten uns lange. Er plant ein echt spannendes Projekt und hat mich schon eingeladen dabei mit zu machen. Und zwar möchte er in zwei oder drei Jahren mit einem kleineren Boot an der Nordwestküste Madagaskars zu entlegenen Dörfern fahren und dort mit zwei Ärzten aus der Reunion einfache Krankheiten heilen (so eine Art Erstversorgung). Er arbeitet bereits drei Jahre an diesem Projekt und hat auch schon eine Organisation gegründet und einige Spenden beisammen. Ich warte zurzeit auf sein Email (dass er mir hoffentlich irgendwann schickt) mit der Adresse seiner Homepage (die noch nicht online ist, weil noch im Aufbau begriffen).

Franka und die Freunde auf Nosy Be

Auf Nosy Be angekommen holte uns Franka vom Hafen ab. Ich mochte sie vom ersten Augenblick an. Wir fuhren gleich mal eine große Runde auf der Insel, so dass wir etwas von der Landschaft sehen konnten.
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Nosy Be ist wirklich der Traum. Das Dorf in dem wir lebten, die Partystadt schlechthin. Außerdem ewig weiße Strände, klares Wasser, viele Früchte und hübsche, nette Leute.
Die beiden Franzosen vom Schiff (mit denen ich weiter reisen wollte) waren zufällig im gleichen Dorf gelandet und so war ich sicher, dass mir nicht langweilig werden würde.
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Am zweiten Tag lernte ich dann eine Menge Einheimischer am Strand kennen, die mich gleich mit feiern nahmen. Wie so oft, fiel die halbe Nacht der Strom aus und so machten wir selber Musik. Einige Mädels (24 Stunden im Bikini) tanzten und sangen und der Rest klatsche. Die Lieder funktionieren so, dass immer der gleiche Refrain gesungen wird und dazwischen ein Sänger irgendwas improvisiert. Ich kam nicht daran herum auf Deutsch zu improvisieren (aber da alle schon angeheitert waren musste mir das auch nicht peinlich sein). Später sind wir dann ins Dorf tanzen gegangen. Das ist wirklich ein trauriger Anblick: überall weiße, fette Männer die mit einer hübschen Bikini-Madagassin über die Straßen schlendern. Die Jungs mit denen ich unterwegs war sagten mir, dass alle Mädels in ihrem Freundeskreis bereits mit Franzosen verheiratet sind. Die ganzen Kinder (die auch beim feiern dabei waren) also kleine Halbfranzosen waren.
Wir sind noch an den Strand gegangen, dann zu einer Freundin Kuchen essen und später, keine Ahnung wie spät es war, bin ich zurück nach Hause.
Das Haus in dem wir wohnten (wirklich recht schön) wird natürlich nachts bewacht. Der Nachtwächter hatte aber von Innen das Tor verriegelt und so kam ich nicht hinein. Ich klopfte und rief ihn, aber er kam einfach nicht. Da entschloss ich über das 3 Meter Tor zu klettern. Ich hatte einen Rock an und das ganze war recht mühsam. Als ich auf der anderen Seite angekommen war, glücklich endlich drinnen zu sein, kam plötzlich der Wärter mit knallroten Augen, über seinem Kopf einen Knüppel schwingend, auf mich zu gerannt. Man, ich hatte echt Angst. Redete schnell auf ihn ein, sagte ihm ich wohne jetzt auch hier. Meine weiße Hautfarbe rettet mich wahrscheinlich vor schweren Verletzungen. Ich zeigte ihm den Haustürschlüssel, den mir Franka gegeben hatte, und er lies mich passieren.

Weiße Stränge, Mangos, Lemuren und meine Zukunftspläne 
Die folgenden Tage waren echt schön. Meine neuen Freunde haben mir die Insel gezeigt und alles was es dort gibt. Mein Nachbar hatte einen Lemuren (das sind die kleinen affenartigen Tiere, die es nur hier auf Madagaskar gibt). Der war so süß. Ich hät ihn am liebsten mitgenommen. Jedes Mal wenn ich vorbei gekommen bin ist er mir schon um den Hals gesprungen. Ich hab ihm manchmal Bananen mitgebracht und dann hat er sich auf meinen Kopf gesetzt und sie dort vermampft.
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Wenn ich Hunger hatte hab ich einen von den Jungs gefragt mir Mangos zu holen. Die sprießen dort nur so aus dem Boden. Alles voller Mangobäume die die darauf warten, geerntet zu werden. Manchmal haben sie mir auch Kokosnüsse geholt, aber das ist ein bisschen schwieriger, weil die Palmen schwierig zum beklettern
Ansonsten waren wir jeden Tag schwimmen und sind manchmal auch mit kleinen Kanus an entlegene Stränge gepaddelt.
Nach einer Woche hat es mir dann trotzdem gereicht. Es ist einfach so wahnsinnig heiß dort und alles voller Moskitos. Also hab ich beschlossen nach Hause zu fahren.
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Am letzten Abend haben wir noch Froschschenkel gegessen und ich hab mich lange mit Franka über Kulturunterschiede und meine Zukunft unterhalten. Hab ihr von meinen Studienplänen erzählt und gesagt, dass ich mich, falls ich noch viele Kinder bekommen möchte, ein bisschen beeilen muss. (Nachdem ich jetzt 3 Monate mit 11 Leuten unter einem Dach gewohnt habe, schätze ich diese großen Familien wirklich! Eigentlich hab ich mir das bei Anna schon so oft gedacht…). Franka hat gelacht und gemeint, wir Europäer sind wirklich kompliziert. Wir planen unser ganzes Leben von vorne bis hinten und dann kommt doch alles ganz anders. Sie hat genug Europäer kennen gelernt, die erst nach ihrem Studium Kinder bekommen wollten, und sie haben sie bis jetzt nicht, weil nie der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Wenn ich irgendwann Lust auf Kinder habe, soll ich das sofort angehen, sagt sie! (…ich seh schon meinen Papa seine Hände über seinen Kopf zusammen schlagen. So was von unüberlegt…). Aber ja, ich soll meine Eltern um Hilfe fragen! Das haben die Europäer verlernt, die Solidarität mit ihrer Familie zu bewahren. Wenn in Madagaskar jemand ein Kind bekommt freut man sich einfach, weil die Familie wächst. Wo und bei wem das Kind aufwächst, regelt sich schon von alleine. Franka überlegt. Wenn sie ihr Leben rückbetrachtet sind ihre eigenen Kinder das größtes Geschenk was sie jemals bekommen hat. Die Familie das, was wirklich zählt. Deshalb sagt sie ihrem Sohn (22 Jahre), wenn er Kinder bekommen will, sie ist die erste die ihm hilft diese aufzuziehen. Und ich solle das genauso machen. Ja nicht zu lange warten! Franka lacht wieder. Sie meint, dass was sie in ihrem Leben versucht, ist möglichst viele glückliche Stunden zu sammeln. Sie ist zwar Christin, aber mit dem Leben nach dem Tot ist sie sich nicht so sicher. Also lieber jetzt so glücklich sein wie möglich. Sie erinnert sich an ihre Großmutter die 17 Enkel hatte. Doch als sie alt wurde und bald sterben musste waren nur drei in ihrer Nähe, die anderen hatte das Leben weit weg getragen. Gott sei gelobt, dass sie so viele Enkel hatte. Sonst wäre vielleicht niemand mehr zu ihre gekommen…
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franka

Eine lange Reise
Am nächsten morgen sind wir schon um 5:30 aufgestanden, um das erste Boot aufs Festland zu nehmen. (Beim Hinweg nach Nosy Be hatten wir den Meerweg gewählt, aber diese Fähre gibt es nur ein Mal in der Woche. Deshalb mussten wir jetzt nur die kleine Strecke zum Festland überqueren und dann auf dem Landweg zurückfahren).
Tiana und ich nahmen ein kleines Speedboot um auf die große Erde (so nennt man hier das Festland) zu gelangen. Wir waren zu zwölft und schon nach 45 Minuten wieder auf festen Boden. Ich war sehr zufrieden. Keine großen Wellen und der Weg zu kurz, um Seekrank zu werden. Dort warteten gleich duzende Taxifahrer auf uns, die mir sofort das Gepäck aus den Händen rissen und in ihr Auto verluden. Glücklicherweise half mir ein Mann, den ich im Boot kennen gelernt hatte, das richtige Taxi zu nehmen und wir fuhren gemeinsam in die nächste größere Stadt, Ambanja, wo ich das Taxi nach Tana nehmen sollte. Noch war Tiana auch dabei. Wir saßen zu fünft auf der Rückbank eines kleinen Autos und als ich aussteigen wollte, war mein Bein so eingeschlafen dass ich hinfiel. Die Fahrt ging durch Kaffee und Kakaowälder und einmal ließen sie das Taxi anhalten, um mir eine Kakaofrucht zu pflücken. (Die liegt jetzt neben mir und wartet darauf geknackt zu werden, damit ich die Kakaobohnen trocknen kann.) Als wir in Ambanja ankamen, wieder der gleiche Stress: nur nicht das Gepäck aus den Augen verlieren! Ich sagte nur einmal dass ich nach Tana müsse, und dann rannte ich meiner Tasche hinterher die in einen großen Van verfrachtet wurde. Und ich auch. Tiana hatte ich aus den Augen verloren, denn er musste jetzt das Taxi zurück nach Mahajanga nehmen, wo er Mamy treffen sollte. Ich hatte nicht mal Zeit mich von ihm zu verabschieden und hoffe er hat den Weg alleine gefunden.
In meinem Van waren alle Fensterplätze schon belegt. Ich bereu es jetzt noch, dass ich nicht nach einem Fensterplatz gefragt habe, denn, was auf der Karte so kurz aussah (ca 700 Kilometerchen nach Tana) beanspruchte uns 27 Stunden Busfahrt! 27 Stunden auf dem gleichen Sessel kleben. 27 Stunden keine Wand zum anlehnen haben (denn ich hatte ja einen Mittelplatz). 27 Stunde nicht wissen, wann wir endlich ankommen.
Die ersten paar Stunden saß ich neben zwei Studenten, die aber dann ausstiegen. Danach machte ich eine interessante Bekanntschaft. Ein Südafrikanischer Missionar versuchte an mir sein Glück. Erst war ich eigentlich ziemlich genervt. Glaubte, das Leben hätte mich mal wieder bestraft. Nach drei Monaten gescheiterten Missionarsversuchen, jetzt auch noch diese ewige Busfahrt neben einem Diener Gottes zu verbringen…. Aber dann wurde das Gespräch ziemlich interessant. Ich konnte ihm sein Gerede nicht übel nehmen, denn er war einfach vom Haaransatz bis zu den Fußspitzen so glücklich. Das sah man von 300 Metern. Freute sich über jede Sekunden an seinem Leben. Er erzählte mir, er sei jetzt schon seit einem Jahr in Madagaskar und liebe dieses Land. Liebte alle Madagassen. Bei jeder Möglichkeit hängte er sich aus dem Fenster und winkte und schrie den Leuten am Straßenrand irgendwas zu (sein Madagassisch ist übrigens noch schlechter als meins). Und dann redeten wir über tausend Sachen. Wir redeten zum Beispiel über den Nahen Osten. Er sagte, immer und immer wieder setzen sich die Politiker zusammen um über Friedenslösungen zu diskutieren. Aber solange der Hass zwischen den Israelis und den Palästinensern anhält, wird kein Friedensplan von Dauer sein. Erst wenn die Menschen sich lieben lernen (also mit seinen Worten Gott kennen lernen, der ja die Liebe ist) kann Friede entstehen.
Wir bräuchten hier auf dieser Erde mehr von seiner Sorte. Er hat mit seiner Organisation schon einige Spitäler aufgebaut und arbeitet zurzeit an zwei Schulen. Und eigentlich ist mir egal ob er Christ, Moslem oder Hindu ist. Seine Botschaft ist einfach und klar. Er versucht mit viel Liebe möglichst vielen Menschen zu helfen.
Außerdem war er der erste Missionar, der mir nur einmal gesagt hat, er wisse das Jesus auf mich wartet. Und dann hat er aufgehört mich ständig von seinem Gott zu überzeugen. Er war sich einfach so sicher, dass sein Gott der richtige ist und ich ihn schon zum richtigen Zeitpunkt finden werde. Ich würde ihn schon hören. Also fragte ich, woher ich denn wisse ob das sein Gott und nicht Allah oder Krishna sei, der mich da ruft. Die Frage störte ihn gar nicht. Er versicherte mir sogar, ich solle mir nur alle gut anschauen. Dann würde ich schon merken, dass es nur einen Gott gibt. Wir redeten noch viel. Aber das werd ich vielleicht ein anderes Mal aufschreiben.
Wir fuhren die ganze Nacht. Teilweise war die Straße nicht mal asphaltiert und wir erreichten Geschwindigkeiten von 20 km/h (und trotz dem Schleichtempo wurden wir noch ordentlich durchgeschüttelt). Der Missionar sagte mir er würde schon früher aussteigen, kurz vor der Endstation, weil er gleich neben der Straße wohne. Ich sagte ihm das gleiche (den ich wohne auch neben der Straße die von Tana nach Norden führt). Aber als wir dann an seinem Haus vorbeifuhren (er freute sich wie en kleines Kind) hielt der Taxifahrer nicht an. Sagte, es sei verboten hier in Tana das Gepäck von dem Dach herunter zu holen. Ich war inzwischen schon so müde, dass ich über die ganze Situation nur noch lachen konnte. Wir beiden Nicht-Madagassen, versuchen einen ganzen Bus davon zu überzeugen jetzt aussteigen zu wollen. Was uns vor einigen Stunden noch freundlich bestätigt wurde, schien jetzt unmöglich. Der Missionar schrie ständig mit einem freundlichen Lächeln nach vorne: „Tsy mety“ (was so viel heißt wie: nicht gut!). Nachher fügte er noch ein „be“ hinzu. „Tsy mety be“ (man könnte das mit: Nicht gut, viel! Übersetzten). Dann lachten wir beide über seine Madagassischversuche, die leider nicht verstanden werden wollten. Ich war mir bis jetzt sicher gewesen, dass der Fahrer trotzdem bei meinem Haus anhalten würde (denn ich, ein junges Mädchen, schon fleißig mit ihm geflirtet und so weiter…). Aber auch mir wurde das Glück versagt. Es war wirklich verrückt. Jetzt saßen wir seit 27 Stunden in diesem Bus um nach Hause zu fahren. Und da kommt man endlich an und fährt schließlich einfach an seinem Haus vorbei. Also, ab in die Stadt. Da ging das gleiche Trara wie vorher in Ambanja weiter. Mein Gepäck wurde gleich von irgendeinem kleinen Mann gepackt, der es irgendwo hinverfrachten wollte. Willig lief ich nur noch ihm und dem Missionar hinterher, der mich auf eine Taxifahrt nach hause einlud. Zahlt dem kleinen Mann 20 Cent (dafür dass er ja freundlicherweise mein Gepäck in den Kofferraum vom Taxi gepackt hatte) und lies mich mit dem Missionar nach Hause bringen.
Es war echt schön wieder in meine Straße zu fahren. Ich lud mein Gepäck aus und schon an der Tür zu unserem Hof kam mir Elia (mein 17 jähriger Bruder) entgegen und half mir meine Sachen ins Zimmer zu tragen. Man war das schön. Seit langem jemand bei dem ich wusste er wollte kein Geld von mir, und einer, dem ich nicht hinterher rennen musste um sicher zu sein, meine Sachen wurden nicht geklaut. Auf halben Weg riss dann noch meine Tasche und eine Flasche zersprang wegen der Hitze. Ihr Inhalt (eingelegte Zitronen) ergoss sich auf dem ganzen Hof. Gott, ich war echt froh dass das alles hier zu Hause passierte. Wir lachten nur und dann ging ich schlafen.
Es war wirklich wie nach Hause zu kommen. Die Leute im Viertel haben sich alle gefreut und ich weiß endlich wieder an wem ich bin. Weiß, dass mich hier zu Hause niemand versucht zu verarschen und genieße jetzt einfach noch die letzten Tage in Tana mit meinen Freunden hier.

Es gibt noch viel zu tun. Die ersten und letzten Postkarten müssen geschrieben, unser Spendengeld gut angelegt werden, und schließlich muss ich mich von tausend Leuten verabschieden. Und in 11 Tagen, Donnerstag der 19.10.06, um 14:45 wird dann mein Flugzeug in Wien landen. (Ich hoffe es gibt keine Probleme mit meinem Flug, den mein vorläufiger Reisepass ist nur bis zum 20.10 gültig.) Ich freu mich schon so auf euch alle!!!

Sonntag, 10. September 2006

milay - cool

Ich schau grad in meinen Kalender und seh wer da alles geburtstag hat! … viele parties die ich da wahrscheinlich verpasst. Jo, Martina, Berni, Jan, David und WunWei, ich wünsch euch alles, alles gute. Macht das was ihr wollt!!! …ich freu mich schon drauf euch wieder zu sehen.

Jetzt bleiben mir noch 5 wochen. Und ich wunder mich schon wieder wie oft ich an zu Hause denke. Es sind doch relativ viele sachen die ich vermisse. Mal wieder nicht die einzig weiße zu sein, mal wieder zeitung zu lesen, mal wieder in ein café zu gehen, mal wieder gescheites brot zu essen, mal wieder alles zu verstehen was die leute mir sagen…
Vor ein paar wochen hab ich noch gedacht ich könnt mein ganzes leben hier bleiben. Die leute sind so unkompliziert. Es gibt hier eigentlich kein Problem. Das wird sich schon alles lösen. Man freut sich eigentlich den ganzen tag. Die alten Leute haben die verschrumpelten Gesichter voller Lachfalten und auch die kleinen Kinder schreien viel weniger als bei uns. Aber das was fehlt ist Bildung und Interesse. Jetzt bin ich seit 2 Monaten hier und hab keine ahnung mehr was in der welt abgeht. Ich frag mich ob ich hier zum Beispiel einen 11 .September oder Tsunamie überhaupt mitbekommen würde. Es gibt zwar zeitungen, aber die sind relativ regional und dienen schnell als verpackungs- und klopapier.
Zur Zeit läuft hier eine sendung im fernsehen (auf taxiorange und big brother stile) und das ist das einzige Gesprächsthema. Und das versteh ich schon wieder nicht (vielleicht hab ich das schon mal geschrieben?!). Die Leute kommen hier nach Hause und legen sich ins bett und schalten den fernsehen an. Vohangy (die Mutter der familie hier) hatte vor kurzem 2 wochen ferien und ich glaub sie hat 80% davon fernsehschauend im bett verbracht. Das essen bringen ihr die kinder auch ans bett, so muss sie nie aufstehen. Ich frag die leute oft, warum sie nichts anderes machen. Sie sagen, man fühlt sich nobel vorm fernseher. (am besten ist es, wenn man dabei cola trinkt). Man fühlt sich gehoben und reich wenn man einfach so da liegen kann und fernschaut. Oder sie sagen, es gibt kein geld um etwas anderes zu machen. (Ich bin echt froh, dass ich in eine aktive Familie geboren wurde. Das hier ist echt langweilig…).
Gestern war ich auf meiner ersten Hochzeit. Das hat den ganzen Tag gedauert. Erst gab es die madagassiche Hochzeit (dabei spricht eine Vermittlerin zwischen den beiden Familien und dann wird die Braut übergeben. – früher wurden dann auch die tiere übergeben, um die braut zu kaufen). Danach sind wir in die Kirche gefahren. Das ging relativ schnell (ca. 2 stunden). Gottesdienst, Ringeübergeben, Schleierheben…tralala. So wie bei uns). Und dann sind wir feiern gefahren. Glaub es waren so 200 Gäste da und wir haben die ganze Zeit gegessen, getanzt und gebetet. Das war nett.
Es ist komisch für mich zu wissen, dass ich nie so heiraten werde (ich bin ja nicht christlich). Und wahrscheinlich ist mir das ganze auch zu pompös. Und ausserdem hab ich auch keine 200-köpfige Familie. Aber hier ist das glaub ich die wichtigste Feier im Leben. Was die für einen Aufwand treiben…; Vohangy (meine Mutter hier), hat sich drei Kleider schneidern lassen um dann am Schluss eins auszusuchen. Ich musste mir auch was schneidern lassen (ich hab schließlich nichts feierliches zum anziehen mitgenommen). Die Mädels hier sind alle wahnsinnig kitschig. Sie haben rosa und blaue Plüschkleider getragen. Gab (mein Bruder hier) hat sich seine Locken abschneiden müssen (die waren vielleicht 8 Centimeter lang) um gesittet auszusehen. Echt Schade.
Ansonsten gabs in der Woche nichts besonderes. Wir planen schon meinen Abschied. Wenn alles gut geht fahren wir (nur die jungen) noch eine Woche an die Küste. Das sind alle meine Freunde hier aus der Nachbarschaft und vielleicht ein paar aus dem Krankenhaus. Das wär wirklich super. Aber vielleicht wird’s auch nur ein Wochenende. Mal schaun.
Achja, jetzt hat auch schon der Pastor im Krankenhaus versucht mich zu missionieren. Ich bin einfach noch nicht auf dem richtigen Weg, heißt es hier.
Ich bin schon wieder auf dem Sprung. Capoiera lässt grüßen…
Noch einen schönen Sonntag,
Pia

:::hab grad eure antwroten gelesen. Danke; danke. Ich schreib euch naechstes mal – bin bei eine, freund und komm mit der tastatru nicht klar. Schreib dann genauer was ich hier mach und warum ich hier bin. Danke tommi. Gruess anna und kathi ganz lieb von mir.

Dienstag, 5. September 2006

sososo

..und jetzt der Bericht den fast jeder Reisende einmal schreibt…; mein Pass und noch ein bissl mehr wurden geklaut. Im Krankenhaus. Gott sei Dank hätte es wie immer auch schlimmer kommen können aber trotzdem zeigt sich Madagaskar von seinen schlechteren Seiten. Ich war gerade vorher so glücklich gewesen aber jetzt lern ich die Leute mal anders kennen. Das ganze ist Donnerstag passiert. Ich hab meine Tasche wie meistens neben dem Operationssaal gelassen. Das Gute ist, dass ich mein Handy bei mir hatte und meinen Fotoapparat zu Hause. Das Schlechte ist, dass ich zur Bank gehen wollte und deshalb meinen Pass, zwei Traveler Checks und mein Karten (Bankomat und Credit) dabei hatte. Außerdem den Schlüssel von hier. Ich hatte von Donnerstag auf Freitag Nachtdienst und mir ist es erst am Freitagmorgen aufgefallen. Der Chefarzt hat gleich eine Versammlung mit allen Angestellten einberufen und ich habe erklärt dass ich nicht böse bin. Bin ich auch nicht. Kann ich gut verstehen dass man das nimmt. Na, auf jeden Fall hab ich gebeten mir den Pass wieder zu geben. Aber bis jetzt ist nichts aufgetaucht, glaub auch nicht dass noch was auftaucht. Keine Ahnung wer das Zeug genommen hat. Ist mir eigentlich auch egal. Den Pass kann ich schon wieder organisieren, die Karten sind schon gesperrt, dass heißt das ganze ist nur halb so wild (…Ach Papa, du wirst dich wieder mal über mich ärgern. Aber hast eh recht…). Für mich ist das schlimmere, wie die Leute hier reagieren. Ich bin sehr traurig und schockiert. Als ich heute (Samstag) ins Krankenhaus gekommen bin haben mich gleich verschieden Leute zur Seite gezogen und mir gesagt dass ich aufpassen muss. Sie haben gemeint, die Angestellten in der Chirurgie (die ich bis jetzt eigentlich am coolsten fand) „deteste-moi maintenant“ (hassen mich jetzt). Weil sie natürlich des Diebstahls verdächtigt werden. Mir wurde sogar geraten nicht mehr in der Chirurgie zu arbeiten sondern sofort die Station zu wechseln weil sie wohl so sehr auf mich schimpfen. Ich war echt traurig. (Am Donnerstag hat mir noch jemand erzählt dass gerade die Leute in der Chirurgie sich so freuen dass ich mit ihnen arbeite und mich wirklich gern haben). Ich bin dann eine Weile nur herumgestanden und hab nicht gewusst wo ich hin gehen soll. Dann bin ich einfach in die Chirurgie gegangen (weils mir ja dort vorher am besten gefallen hat). In der Chirurgie hab ich dann mit den Leuten geredete und gesagt dass ich sehr unglücklich über dass bin was ich hier höre aber eigentlich interessiert es mich nicht. Ich verdächtige niemanden und werde mich auch für sie einsetzten dass mit ihnen nichts passiert (…weil angeblich greift der Chefarzt bei solchen Sachen hart durch) und hoffe dass wir weiter gut miteinander klar kommen. Und es gab bis jetzt noch keine Probleme. Eigentlich sind sie so cool wie vorher. Ich hoffe dass in einer Woche die ganze Geschichte vergessen ist. Aber im Moment bilden sich Gruppen, wer auf welcher Seite ist und wer wen verdächtigt und und und… Jeder gibt mir andere Ratschläge. Ich höre auf keinen. Am Montag geh ich zur Botschaft.
Ich hab ansonsten eine arge Woche hinter mir. Ich hab meine erste eigene Patientin und heute eine Beschneidung in einem Dorf durchgeführt. Außerdem gibt’s eine neue Mitarbeiterin, eine Deutsche die Hebamme ist. Aber ich fang vorne an.
Unser Pastor ist entlassen worden. Ich bin glücklich und traurig. Ich hab ihn jetzt immerhin jeden Tag gesehen. (Die Deutsche Hebamme war übrigens entsetzt dass man nach einer Gehirntumoroperation nur zwei Wochen stationiert bleibt).
Am Montag haben wir zwei Prostataoperationen durchgeführt. Die sind ziemlich langweilig, weil wieder nur mit Kamera operiert wird. Dass heißt ich kann nichts helfen. Die erste Operation hat sehr lange gedauert (über zwei Stunden, für eine Prostataoperation sehr lange) und der Patient, schon 80 Jahre alt, hat sehr viel Blut verloren. Im „Salle-de-reveille“ (Aufwachsaal?) haben wir ihm dann alle unsere Jacken gegeben und ich habe versucht ihn einzuschläfern. Er war ziemlich unruhig. Ich hab’s mit deutschen Schlafliedern versucht aber ohne Erfolg. Nach einer Stunde musste ich gehen, weil wir eine zweite Operation hatten. Als ich danach wieder gekommen bin hat er dann geschlafen und ich bin froh noch Hause gegangen. Am nächsten Tag bin ich gleich zu ihm gegangen und war erfreut zu sehen, dass niemand mehr da ist. Hab gedacht er ist schon in seinem Zimmer. Aber er ist noch am Vorabend gestorben.
Ziemlich traurig. Der Arzt war auch sehr schockiert. Das war schon der zweite Patient innerhalb von 5 Tagen der an dieser Operation gestorben ist. Trotzdem hat er am gleichen Tag noch weitere Prostataoperationen durchgeführt. Ich bin eine Weile nur dagestanden und hab gar nicht gewusst was ich denken soll. Man redet mit jemandem und zwei Stunden später ist er tot. Also ist nicht mehr. Ich bin sehr traurig. Aber der Tod ist so normal. Und wir können eh nichts ändern. Gott sei Dank war der Mann schon 80 Jahre alt. Das ist ein halbes Relikt hier in Madagaskar. Und für uns geht das Leben normal weiter. Ich glaube für den Arzt muss es am schlimmsten sein. Er hat mir erzählt er konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Der Arme. Aber inzwischen geht es ihm besser. Da haben die Madagassen es echt gut, dass sie gläubig sind. Der alte Mann ist jetzt im Himmel.
Am Mittwoch ist dann eine neue Patienten die an Depressionen leidet in den „Service Clinique“ gekommen (da arbeite ich nicht) aber sie haben mich geholt und gefragt ob ich helfen kann. Ich bin zur ihr ins Krankenzimmer gekommen und die Frau (25 Jahre alt) ist mir gleich weinend um den Hals gefallen und hat mir ihre ganze Geschichte erzählt. Vor ungefähr zwei Jahren hat sie angefangen im Internet nach Männer zu suchen und hat einen Mann in Deutschland gefunden (Mitte 40) der ihr die Reise finanziert hat und sie „bei sich aufgenommen hat“. (Das ist übrigens schon die zweite junge Frau dich ich hier kennen lerne, die das macht. Die Mädels sind hier echt verrückt nach Geld und Luxus). Sie ist zu ihm geflogen und er hat sie auch wirklich vom Flughafen abgeholt. Er hat eine Firma und sie wohnt bei ihm (in der Wohnung über seinem Büro). Er hat ihr alles finanziert und sie hat fleißig seinen Haushalt gemacht und die Sprachschule besucht. (Ich glaube sie ist sehr gescheit, denn sie spricht wirklich sehr gut deutsch. Wir reden Deutsch miteinander).
Sie liebt ihn. Er war so gut zu ihr, meint sie. Er hat ihr Blumen mit zum Flughafen gebracht. Rosen.
Ich kann mir das echt nicht vorstellen. Aber die beiden haben sich echt ineinander verliebt. Das Problem ist, dass sie nicht arbeiten darf. Sie will aber viel Geld haben um ihrer Familie etwas zu schicken. Außerdem möchte sie im Luxus leben. Sie möchte nicht bei Pimky, Orsay oder C&A einkaufen. Sie möchte einen guten Computer haben. Also hat sie angefangen in der Firma von ihm zu Putzen – gemeinsam mit ihrer zukünftigen Schwiegermutter. 2 Stunden in der Woche für 400 Euro im Monat. (…so einen Job such ich auch…). Ihre Schwiegermutter hat ihr nur 200 Euro gegeben. …ich glaube so hat der ganze Streit angefangen. Ihr reicht das nicht.
Na, auf jeden Fall wollte sie jetzt zurückfliegen um ihre Familie zu besuchen. Er hat sie nach Paris gebracht und sie „fühlten sich wie die einzigen Menschen auf dieser Welt“. Aber kaum angekommen in Mada, schreibt er ihr ein SMS sie passen nicht mehr zusammen. Die Beziehung ist aus.
Lala (so heißt sie) ist in den Hungerstreik getreten. Und so hat ihre Mutter sie ins Krankenhaus gebracht. So schwach, dass sie nicht mehr stehen kann. Sie hängt jetzt am Tropf und ich verbringe meine ganze Zeit bei mir und versuch sie in die Realität zu holen. Die gute Lala will nicht mehr in Madagaskar leben. Von einem Tag auf den anderen hat sie ihre große Liebe verlassen, und ein Leben in Deutschland ist auch nicht mehr möglich. Aber sie will so schnell wie möglich wieder nach Europa. Nur wie? Ich hab auch keine Ahnung. Ihre beste Idee, sich schnell wieder einen anderen Mann im Internet zu suchen, hab ich ihr glaub ich (hoffe ich) schon ausgeredet. Sie isst auch schon wieder. Aber das ganze ist echt schlimm. Ich weiß oft nicht was ich sagen soll. ---- ich sitz grad auf meinen Balkon und es kommt eben ein Umzug vorbei. Mit Musik und so weiter. Die Leute gehen einen Verwandten aus dem Grab holen (das machen sie alle 7 Jahre). Da geh ich jetzt mit. Ich schreib nachher weiter!

04.09.06
…also, da bin ich wieder. Wir konnten gestern leider nicht mitgehen. Die Zeremonie war in einem Haus. Schade. Die holen die Toten aus dem Grab und essen dann mit ihnen. Auch wenn nur noch das Skelett da ist. Sie füttern sie sogar.

Im Krankenhaus passt heute wieder alles. Ich war auch schon bei der Botschaft und bekomme einen Passersatz. Ist alles ziemlich unkompliziert, nur leider sehr teuer (Pardon, Papa). Meine Patientin isst wieder und es geht ihr schon besser! Eine andere Freundin hat heute ein Kind im Krankenhaus zur Welt gebracht. Ein kleiner Junge. …vor der Geburt hat sie gesagt wenn es ein Mädchen wird, nennt sie es Pia. Die Frauen hier sind echt alle so mutig. Sie verziehen ihr Gesicht und schon ist das Baby da. Ich hab bis jetzt noch keine Frau schreien gehört. Als ich den Frauen hier gesagt hab wie mutig ich sie finde haben die Hebammen gesagt, dass sind nur die „Vazas“ (Weißen) die schreien! Am Mittwoch ist eine Deutsche, Tanja, ins Krankenhaus gekommen. Sie bleibt hier für drei Jahre und arbeitet als Hebamme. Sie hat gemeint sie weiß nicht ob sie nach Madagaskar noch in Deutschland arbeiten kann (…so wie sich die Weißen anstellen  ).

Am Donnerstag hab ich meinen ersten Nachtdienst mitgemacht. (Die meisten Ärzte haben zwei Nachtdienste in der Woche. Da arbeiten sie dann 24 Stunden am Stück). Wir haben einen kleinen Jungen geboren (sonst war nichts los). Die Geburten im Krankenhaus sind schon anders als die hier zu Hause. Die Kinder und die Mutter bekommen viele Medikamente und es gibt einen gescheites Bett zum gebären. Außerdem bleiben die Frauen noch eine Weile unter Beobachtung (hier zu Hause gibt es Frauen die 30 Minuten nach der Geburt mit dem Baby unterm Arm nach Hause stapfen). Die Hebamme hat gemeint bei der nächsten Geburt darf ich das Baby rausholen und die Nabelschnur abschneiden…. Na mal schaun.

Am Samstagnachmittag sind wir in ein Dorf gefahren um dort Beschneidungen durchzuführen. Das Dorf besteht aus vielen kleinen Lehmhäuschen und einer Kirche. Die Kirche ist eine große Bretterhütte mit vielen Löchern in der Decke. Eigentlich sollten wir dort 4 Jungs beschneiden aber es ist nur einer gekommen. Das schwierige bei den Beschneidungen ist, dass die Anästhesie nur 10 Minuten hält. Das heißt man muss sich von Anfang an beeilen sonst zappeln die Jungs beim Nähen zu viel. (Das war bei mir beim letzten mal so). Die Kleinen bringen drei Leute mit, die sie festhalten. Zwei für die Beine und einen für den Oberkörper. Ich habe inzwischen gar keine Angst mehr vorm Nähen und Schneiden. Die Stiche sind einfach und ich schaffe es auch schon meistens mit einem Versuch durchzustechen!
….ach, jetzt wurde ich schon wieder unterbrochen. Es gibt schon wieder eine Geburt! – eine besondere! Das ist meine erste Geburt, bei der der Mann da bleibt (sonst warten sie immer draußen oder kommen gar nicht). Aber es dauert noch ein paar Stunden, also kann ich noch ein bisschen weiter schreiben.

Ich habe mich an Madagaskar gewöhnt. Hier im Viertel kennen mich schon alle Leute und auch in den Bussen und auf den Märkten fühle ich mich nicht mehr zu weiß. Das Leben ist nicht mehr so anstrengend wie vorher. Die ersten vier Wochen waren echt ermüdend. Ich fühlte mich immer beobachtet und jeder kleinste Spaziergang hat mich wegen der vielen Eindrücke ziemlich geschafft. Inzwischen verstehe ich das meiste was die Menschen mir sagen und ich habe nicht mehr das Gefühl, dass man hinter meine Rücken über mich redet (oder zumindest fange ich an zu verstehen was gesagt wird). Außerdem hab ich mein Programm zurückgeschraubt. Ich gehe nicht mehr tanzen und lebe sehr langsam (ich lass mir immer viel Zeit und plane nichts mehr). Ich versuche noch so viel wie möglich das Leben hier einfach zu genießen, den die Zeit vergeht so schnell und mein Aufenthalt ist fast schon vorbei. Mir bleiben nur noch drei Wochen Praktikum im Krankenhaus. Diese Woche in der Chirurgie, eine Woche beim Zahnarzt und eine Woche bei den Augen. Danach reise ich noch drei Wochen durchs Land und dann komm ich auch schon wieder.
Ich träume schon sehr viel von Witten (der Uni wo ich hin will). Vor kurzen hab ich geträumt dass meine Bewerbung zu spät angekommen ist und ich nicht mehr bei der Aufnahme mitmachen kann. …Gott sei Dank weiß ich dass meine echte Bewerbung schon angekommen ist. Oft wundere ich mich hier, wie oft ich an Österreich, Deutschland und euch alle denke. Ich schaffe es nicht einfach vor mich hinzuleben. Obwohl ich jeden Tag liebe und wirklich glücklich bin zähle ich ständig die Wochen die mir noch bleiben. Ich weiß nicht woran das liegt. Vielleicht sind drei Monate einfach doch zu kurz. Oft denke ich, wenn ich länger hier wäre würde ich dies und das machen. Zum Beispiel mein Zimmer schöner einrichten. Anfangen gescheit zu Frühstücken. Meine Kleider öfter waschen. Vielleicht würde ich mir ein Fahrrad kaufen, oder endlich neue Batterien für meine Taschenlampe… aber so schieb ich diese Sachen vor mir her, weil ich ja eh bald zurückkomme.
Die Madagassen sind sehr anders als die Europäer. Vor kurzem hab ich über Goethes Faust nachgedacht (das war ja mein Deutsch Spezialgebiet bei der Matura) und bin draufgekommen, dass der hier wirklich nicht her passt. Das, was Goethe dort als so essentiell beschreibt, das menschliche Streben, das ständige arbeiten, den Forschertrieb oder einfach nur die Ungeduld und das ständige Fragen und suchen nach Antworten, finde ich hier nicht. Das klingt jetzt sehr böse (ist aber durchaus auch positiv gemeint), aber hier sehe ich den Mensch wirklich oft nur als sehr intelligentes Tier. Er lebt sein Leben vor sich hin und ist zufrieden. Er kommt nach Hause und schaltet den Fernsehe ein und isst. Er steht auf der Straße und wartet. Aber er wartet auch nichts, weil ja doch nichts passiert und sich doch nichts ändert. Die meisten Deutschen können das nicht (ich kann das bei uns auch nicht). Einfach nur rumstehen und froh sein. Ich kann nicht einfach so nur rumstehen. Ich muss irgendwas machen oder planen. Hier erledigt sich das Hinterfragen der Dinge mit dem strengen Glauben, und der Sinn des Lebens wäre damit auch geklärt.

…und jetzt wurde ich schon wieder unterbrochen. Das Baby ist jetzt da! Ein Mädchen und der Papa hatte während der Geburt mehr Angst als die Mama. Die Mama von der Mama hat geweint und ich hab noch nie so eine schöne Geburt gesehen. Und weil’s jetzt schon sehr spät ist geh ich jetzt schlafen.

@Kaweechelchen: …endlich antworte ich dir! Ich freu mich wirklich, dass es auch Leute gibt, die ich sogar nicht kenne, die meine Sachen hier lesen! Sobald ich wieder zu Hause bin werd ich dir genau erzählen wie ich hierzu gekommen bin!!! Danke auf jeden Fall für deine Hilfe. Das ist echt lieb von dir!

Montag, 28. August 2006

27.08.06

Eigentlich sollte ich jetzt wirklich schlafen gehen…, aber jetzt muss ich endlich aufschreiben was inzwischen passiert ist (sonst wird das immer mehr und ich vergess die hälfte).
Also, nach den operationen hab ich dann gleich einen toten behandelt. Es war am Mittwoch abend, eigentlich wollte ich freunde in der stadt treffen, aber dann ist dieser mann am Nachmittag gestorben und wird haben ihn drei stunden nach seinem offiziellen Tod mit Formol versetzt. Dazu haben wir die Vene in seinem Oberschenkel gesucht und über ein Kabel 1 Liter Formol in den Körper gepumpt. Das war sehr komisch, hat mich aber weniger berührt als die Operationen. Sein Bauch und seine Arme waren noch ganz warm aber seine Hände schon eiskalt. Nachdem wir das Formol eingepumpt hatten, haben ich (wie bei einer normalen OP) die Wunde wieder zugenäht. Wir haben vergessen sein Auge ganz zu schließen, deshalb hat er uns die ganze Zeit angeschaut. 10 Minuten nachdem wir fertig waren ist sein Körper dann schon ziemlich hart gewesen und wir haben das Auge nicht mehr zubekommen. Eigentlich wollten wir ihm auch ein Lächeln aufsetzen aber auch dafür wars schon zuspät. Ich hab fünf Minuten versucht sein Auge zuzudrücken, aber ich habe nur eine delle hinterlassen. Es ist trotzdem wieder aufgegangen. Ich hab ein Foto von ihm gemacht. Das stell ich nicht auf die Homepage, es war schon komisch genug ein Foto zu machen. Bissl makaber. Angeblich hält sich sein Körper so jetzt mindestens ein Jahr. – wenn man aber mehr als 12 Stunden mit der Formolisation wartet, geht’s schon nicht mehr. Der Körper fängt schon an sich zu versetzten.
Seine Familie hat vor der Tür gewartet. Als wir fertig waren (hat ca eine Stunde gebraucht) haben sie ihn gewaschen. Da durfte ich nicht dabei sein (weil ich eine Frau bin und der Tote ein Mann).
Ich bin sehr überrascht wie normal das ganze für mich war. Als wir vor kurzen hier in der Nachbarschaft einen Toten betrauert haben fand ich das sehr viel komischer als der Tote im Krankenhaus. Damals war das der erste Tote den ich gesehen hatte. Aber jetzt… Ich hatte ein bisschen Angst davor, aber es war alles so normal. George (er arbeitet in der Chirurgie) und ich haben das zusammen gemacht – er macht das schon seit 20 Jahren – und er hat mir alles erklärt. Beim nähen musste ich mich das erste mal nicht beeilen weil keine Anästhesie zu Ende geht. Das war also meine erste Formolisation.
Ansonsten gibt’s im Krankenhaus nicht so viel Neues. Unser Pastor (der mit dem Gehirntumor) wird morgen (Montag) entlassen. Das freut mich sehr. Es geht im wirklich gut. Wir haben einen Selbstmörder stationiert, der sich sehr freut dass sein Selbstmord nicht funktioniert hat. Er sieht lieb aus mit seinem großen Verband um den Hals und dem großen Grinser im Gesicht. Aber ich hab ihn noch nicht gesprochen. Vielleicht morgen.
Achja, ich war im Irrenhaus. Das ist ca. 30 Meter neben dem Spital. Das ist komisch. Ich habe dort eine Blutprobe genommen. Es ist ein kleines Zimmer mit ungefähr acht Betten. Die Irren sind je nach Fall mit einer Leine am Bett angebunden. Angeblich hab ich Glück gehabt weil das letzte Mal wurde der Arzt von der Irren verprügelt und gebissen. Aber diesmal war sie ganze ruhig (ich hätte nicht mal gemerkt das das ganze ein Irrenhaus ist wenn nicht die Leinen gewesen wären…).
Ab morgen arbeite ich richtig in der Chirurgie (endlich!).
Jetzt bin ich wirklich zu müde um vom Wochenende zu schreiben…; morgen also!

Ich hab mich echt über eure ganzen Antworten gefreut! Hab gar nicht gewusst dass doch einige Gammas meine Seite lesen! Cool. – das Internet hier ist so langsam dass ichs fast nie auf unsere Gamma Seite schaffe. – Muss ich nachholen wenn ich wieder komme. Außerdem freu ich mich schon drauf wieder mit euch wegzugehen….!!!! – in Wien ist doch mehr los als hier. Aber – morgen mehr! Gute Nacht (Tafandrimandri)

Dienstag, 22. August 2006

chirurgie

chirurgie

In der letzten woche hab ich teilweise in der chirurgie gearbeitet. …ich hoffe ich muss mich nie operieren lassen ! Ich glaube das ist dort schlimmer als beim fleischer!
Die längste operation war bei einem pastor, dem wir einen gehirntumor herausgenommen haben. Die operation hat acht stunden gedauert (aber ich war nur teilweise dabei). Wir haben zuerst die kopfhaut aufgeschnitten und zur seite geklappt. Danach wurden vier löcher in den schädel gebohrt um mit einer elastischen säge den kopf von innen aufzuschneiden. Wir haben also einen deckel in den kopf geschnitten, den wir dann abgenommen haben. Als nächstes wurde der muskel aufgeschnitten und dann der tumor herausgenommen. Der war ungefähr so groß wie meine faust. Danach haben wir das ganze wieder zugeklappt. Ich habe viel helfen dürfen. Ich habe den muskel zur seite gehalten und teilweise beim schneiden geholfen. Ausserdem hab ich die naht (ungf. Von einem ohr bis zum anderen) zugenäht. Das ganze ist sehr komisch. Wenn man am anfang den patient aus seinem zimmer in den Operationssaal fährt und weiß dass es sehr unsicher ist dass bei der Operation alles funktioniert! (Sie haben gemeint viele Patienten überleben die Operation nicht oder sind nachher behindert). Trotzdem redet man ganz normal mit ihm. Das ganze ist so routiniert. Jeder macht einfach das war er zu tun hat. Der Kranke schläft langsam ein und wir machen das gleiche wie jeden tag. Die Lichter vorbereiten, die messer bereitlegen, die geräte anmachen, die hände waschen, die sterile kleidung anlegen, die handschuhe …. Und wenn der patient schläft dann fängt man an zu schneiden. Das ist der komischste moment finde ich. Ich versteh noch immer nicht, dass dann der kranke nichts spürt. Das Messer ansetzen, und einfach in seinen kopf, arm oder bauch schneiden. Aber eigentlich ist es ein bisschen so, wie wenn man ein stück butter abschneidet. Man vergisst, dass man einen Menschen operiert. Man sieht ja auch nur die Wunde und meistens nicht den ganzen körper oder das gesicht. Dann sickert langsam das warme Blut auf die Handschuhe und man schneidet weiter. Manchmal nur eine halbe Stunde, manchmal acht stunden. Wenn der erste schnitt gemacht ist habe ich keine probleme mehr weiter zu machen. Trotzdem ist es komisch. Manchmal verwenden die chirurgen ihr ganzes körpergewicht um einen knochen wieder an seinen Platz zu setzten. Dabei spritz das Blut und die Fleischfetzen hängen über all…; der Pastor hat bei der Operation sehr viel Blut verloren. Wir haben insgesamt 11 Liter für ihn gespendet. Da wir keine Blutbank haben, haben wie das Blut frisch gespendet. Ich wurde bei Mittagessen gefragt. 10 Minuten später habe ich gespendet und 30 Minuten später hat der Pastor das Blut schon bekommen. Am nächsten morgen habe ich ihn gesehen und er hat sehr perplex ausgesehen. Seine Mund war die ganze Zeit offen und er hat entweder geschlafen oder auf die decke starrt. Ich hab schon befürchtet wir hätten etwas falsches rausgeschnitten. Aber jetzt geht es ihm sehr gut. Ich besuch ihn jeden tag und weil mein madagassisch noch immer nicht so toll ist lachen wir meistens nur. Er ist auf jeden fall noch der gleiche und die Krankenschwester hat gemeint es ist ein Mirakel dass das alles so geklappt hat.
Der zweite Patient den ich täglich besuche ist ein bisexueller. Er (laut Pass ist der Mensch männlich) ist 27 Jahre alt und ist zweigeschlechtlich. Er hat eine Gebärmutter, hatte mal Brüste (die wurden schon abgenommen), und ist ansonsten männlich. Ihn haben wir nur über den Computer operiert. Wir haben wieder vier Löcher gebohrt und über diese Löcher den Bauch aufgepumpt. Danach habe einer eine Kamera mit einer kleinen Lampe über eines der Löcher eingeführt und über die anderen Löcher verschiedenen Messer und Klammern. Und dann ca. 4 Stunden operiert. Eigentlich sollte das ganze nur 1 Stunde dauern, aber weil bei ihm im Unterleib alles so komisch war haben wir uns nicht ausgekannt (…ich schon gar nicht). Ich weiß nicht genau was wir alles gemacht haben (eine Menge Organe herumgeschoben) und letztendlich einen Hoden herausgeschnitten (der war irgendwo in seinem bauch, wir haben versucht ihn herunterzuschieben, das ging nicht, da haben sie ihn abgeschnitten). Auch ihm geht es jetzt (wie dem Pastor) gut. In ein paar Monaten wird ihm die Gebärmutter herausgeschnitten.
Seit seiner Operation sehen wir uns jeden Tag und her hat mir schon sein ganzes Leben erzählt. Heut hat er gemeint, es gibt wahrscheinlich niemanden der so viel über ihn weiß wie ich (… ist auch nicht so schwer, es gibt vielleicht nur 5 Leute - außer den Ärzten – die wissen dass er zweigeschlechtlich ist).
Ich bin auf jeden Fall echt froh, dass ich eingeschlechtlich bin. Das ist wirklich komisch, wenn man weder weiblich noch männlich ist - oder eben beides.
Ab morgen arbeite ich im Labor. Da bleib ich ein bisschen (wies mir halt gefällt) und dann fängt mein richtiges Praktikum in der Chirgurgie an (jetzt bin ich einfach nur für ein paar Operationen hingegangen). Aber es bleiben mir nur noch 8,5 Wochen hier in Madagaskar. Wenn ich auch noch ein bisschen reisen will, vielleicht noch 6 wochen praktikum. Die Zeit vergeht echt schnell…

@Tommi: …ich versteh dich gut! Ich hab auch das gefühl, dass wir alle auf der ganzen welt verstreut sind! Hey, aber bald hast du’s hinter dir! Wie lange dauert der Zivildienst noch? Und hast du eigentlich schon einen Plan B?
@Asquina: oh, ich wünsch die alles, alles gute! Irgendwie scheinen wir gerade alle das zu suchen, was zu uns passt! Ich bin mir sicher, dass du mit ein bisschen Mut und Glück einen Ausbildungsplatz findest!
@Jakob: deine berichte sind echt super! Ich bekomm immer das gefühl, ich hätte gar nicht nach madagskar gehen müssen um was besonderes zu erleben. Das Militär scheint mindestens genauso gehaltvoll zu sein.
@Luisa und Hannah: ich hab gar nicht gewusst, dass ihr schon das Radioprojekt hattet! …das scheint schon ewig her zu sein! Wann fängt denn die walz wieder an? Grüßt mir alle wazlisten in der Nähe!
@gammas: gibt’s euch noch?

...hier endlich ein paar fotos
erst das krankenhaus


spital1



spital3

spital4

...ein paar aerzte die in der mittagspause einen tanz einueben...


tanzen

und ich nach einer geburt zu hause:
geburt

der ausblick von unserem dach zu hause

ausblick-dach

bei einer taufe am land - ich mit rado; der aelteste bruder


taufe

und ich bei freunden zum essen

Dienstag, 15. August 2006

Vauvau… (Neuigkeiten auf madagassisch)

15.08.06

Hey ihr lieben,
ich schreibe euch nach einer woche ferien! Ihr wisst ja schon, dass ich letzte woche krank war und heute ist feiertag, gestern hab ich nicht gearbeitet…, das macht fast eine woche ferien!
Mir geht’s sehr sehr gut. Am wochenende war ich in antsirabe (die zweitgrößte stadt auf Madagaskar) …und habe capoiera gemacht. Das war wirklich angengenehm. Wir (ca. 15 andere leute die hier in tana capoiera machen) haben uns am Freitag Nachmittag in der stadt getroffen und sind nach antsirabe gefahren. Wir haben uns um drei getroffen und bis alle da waren und wir losgefahren sind war es sechs. Ein bisschen schade, weil da war es schon dunkel und so konnte ich nichts von der landschaft sehen. Aber es war trotzdem lustig. Wir sind mit einem minibus gefahren der erstaunlich gut erhalten war (man konnte sich sogar an der tür anlehnen…, das trau ich mich hier nur sehr selten).Immer wenn wir angehalten haben, haben mir die burschen (wir warn nur zwei mädchen und der rest burschen) irgendwelche typsichen madagassischen snacks durchs fenster gekauft.das war wirklich sehr nett (und sehr lecker). Achja, wir waren nur zwei mädchen weil die mädchen hier fast keinen freiraum haben. Es gibt nur sehr wenig eltern die ihrer tochter (sogar wenn sie schon älter ist als ich) einfach so wegfahren lässt. Hier zu hause dürfen uns zum beispiel auch nur sehr selten mädchen besuchen (die beiden älteren jungs haben eine freundin die sie wenn der vater zu hause ist nie mitbringen – dafür müssten sie sich erst verloben).
Wir haben die ganze busfahrt gesungen (natürlich capoieralieder)– und die madagassen singen genauso gut wie die afrikaner. Vielleicht werden wir eine cd aufnehmen dann könnt ihr sie auch hören!
In antsirabe war es saukalt. Nachts vielleicht 0 grad.ich habe alle meine pullover angezogen. Tagsüber war es warm.heiß. wir haben in einem haus geschlafen das den eltern von einem von uns gehört. Gegessen haben wir in irgendwelchen madagassischen restaurants (das menü ist in jedem von denen das gleiche. Was vegetarisches gibt’s nicht. Mir bleibt meistens die wahl zwischben bohnen mit würstchen oder bohnen und würstchen und manchmal auch bohnen und würstchen. Ausser ich esse gleich einen hühnerfuß. Aber das mach ich nicht weil mir die bohnen und würstchen ganz gut schmecken. Einmal gab es auch erbsen und würstchen. Das war auch gut.). zum frühstück haben wir samosas oder irgendwelche anderen frittierten sachen oder suppe gegessen. ….mei, die essen hier echt viel!
Dann haben wir den ganzen tag trainiert. Das war super. Unser lehrer hier ist einer der berühmtesten tänzer von madagsakar. Er hat sich capoiera selber beigebracht und spielt wirklich sehr gut. Er unterrichtet eben auch in antsirabe (glaub er ist der einzige capoieralehrer auf madagaskar) und deshalb sind wir hingefahren und haben dort ca 20 andere capoieristas getroffen. Wir haben immer und überall gespielt. Auch wenn wir nur spazieren waren (das dauert hier immer sehr lang weil man ständig anhält und madagassisch auf nichts wartet. Ungefähr 30 minuten und dann geht man weiter). Wenn wir gewartet haben, haben wir meistens capoeira gespielt. Die leute auf der straße haben uns zugeschaut und madagassische tänze weiter getanzt. Die kann ich jetzt auch schon ein bisschen. Hier tanzt und singt jeder.
Na, da waren wir auf jedenfall zwei tage und Montag morgen um drei in der früh sind wir dann zurückgefahren und waren am morgen hier. Gott sei dank musste ich am Montag nicht arbeiten (im krankenhaus haben sie gemeint wenn ich zu müde bin ist es o.k wenn ich zu hause bleibe ) und ich war sehr müde und habe geschlafen. Am Nachmittag habe ich meine wäsche gewaschen. Ich werde immer besser damit aber für die weissen pullover und t-shirts hab ich noch immer zwei stunden gebraucht. Ach und wir waren bei irgendwelchen nachbarn wo viele andere nachbarn waren tischtennis spielen.
Heute hab ich mir zöpfe machen lassen (die die mich nach südafrika gesehen haben wissen ungefähr wie ich aussehe und für die anderen wird ich versuchen ein foto hier auf die homepage zu stellen). Am Nachmittag haben wir für irgendein konzert in einer kirche geprobt. Ich bin mit der geige schon überall eingeplant.

Das wars soweit. Morgen geh ich wieder arbeiten. Die ferien sind vorbei. Aber das ist auch gut (wobei ich noch länger so vor mich hinleben könnte…).
Ich schreib euch bald neues aus dem krankenhaus!

...hier ein foto
zopf

Donnerstag, 10. August 2006

10.08.06

Hallo ihr Lieben,
oh.. vielen dank für eure vielen netten antworten!!! Das freut mich echt.
Ich bin heute und morgen krank gemeldet…; da hab ich endlich viel Zeit euch zu schreiben. Mich drehts zwar ein bisschen und ich hab ein wenig Fieber, aber – wir haben mich schon auf Malaria getestet und das ist es sicher nicht. Also kann ich ganz beruhigt krank sein. Wahrscheinlich hab ich nur zu wenig geschlafen und zu viel komische Sachen gegessen.
Aber ich fang mal wieder von vorne an.
Das Mädchen von dem ich geschrieben hab ist leider noch nicht zurück ins Krankenhaus gekommen. Mein Papa hat auch schon gesagt er würde die Behandlungskosten übernehmen. Also, ich hab im Krankenhaus auf jeden Fall gesagt, falls sie wieder kommt soll sie dableiben. Dr. Nirina (die Ärztin mit der ich am meisten zusammenarbeite) hat gemeint sie hofft dass das Mädchen noch lebt. Vielleicht kommt sie nicht, weil sie schon tot ist. …hoffentlich nicht! Ich werd euch sofort bescheid geben, wenn sie kommt!
Ansonsten habe ich mit dem Chefarzt ein Gespräch gehabt, und er hat mich auch gefragt ob ich nicht jemanden kenne, der das Krankenhaus unterstützen kann. Flo, ich finde deine Idee super, ein paar größere Sachen zu starten. Ich habe den Chefarzt schon gebeten, ob er vielleicht etwas über die Geschichte oder die allgemeine Situation des Krankenhauses schreiben kann. Das werd ich dann übersetzen und euch schicken. Er hat gemeint sie freuen sich über alles. Er hat mir von Leuten erzählt die schon Bücher gespendet haben, oder zum Beispiel Farbe um die Häuser neu anzumalen… (bei solchen Sachen müssten wir halte überlegen wie sinnvoll das ist, von Österreich hierher zu schicken). Aber ich werde noch mal mit ihm reden welche Sachen sinnvoll sind.
Ansonsten habe ich auch an Patenschaften gedacht. Das werde ich noch diese Woche im Krankenhaus besprechen. Ich hab mir das so vorgestellt, dass ich einfach, sobald es wieder einen Fall wie das Mädchen gibt, davon berichte und wir werden jemanden suchen der den Kranken unterstützen kann. Das Gute ist, dass ich sogar Fotos machen kann und euch über den Zustand der Person weiter unterrichten kann. Ich glaub das wär sehr nett und sinnvoll.

Am Wochenende bin ich das erste mal ein bisschen weggefahren. Wir waren bei einer Taufe am Land eingeladen. Eigentlich war das ganze sehr nett, bis auf den Gottesdienst in der Kirche. Der hat 5 Stunden gedauert, und ich hab fast nichts verstanden. Beim beten bin ich meistens eingeschlafen und nur das singen hat mir echt gefallen. Die Leute hier sind wirklich sehr gläubig. Aber davon schreib ich euch später noch. Danach haben wir gegessen. Reis mit Fleisch und Fleisch mit Reis und noch ein bisschen Fleisch und noch mal Reis und so. Puh. Bis auf das Fleisch hats mir gut geschmeckt. Dann waren wir spazieren. Das war der beste Teil. Wir sind auf einen kleinen Berg gegangen und durch die Reisfelder spaziert. Es ist hier alles voll Reisfeldern. Selbst wenn ich ins Krankenhaus fahren (das ist ein bisschen außerhalb) fahren wir durch die Reisfelder. Wir waren auf einem Berg, der früher dem König gehört hat. Er war heilig und die armen Leute durften nicht dahin gehen. Der Berg war ziemlich schön. Danach sind wir nach Hause gefahren. Das Dorf wo wir waren uns nur ca. 30 Kilometer entfernt von Tana (= Antananarivo) aber die Straße mies (dabei ist das angeblich eine der besseren Straßen). Wir haben 2 Stunden gebraucht.

Dienstagabend war ich bei einem Mitarbeiter von der Drogenstation zum Essen eingeladen. Seine Familie wohnt am Stadtrand (gleich neben irgendeiner Plantage) und seine Familie ist wirklich ziemlich arm. Alle Leute wohnen in zwei kleinen Zimmern ohne Strom und ohne Wasser. Es gibt dort nur zwei Betten und das sind alle Möbel. Sie haben nicht mal einen Tisch oder Stühle. Florette (sie kenne ich schon länger) wohnt auch dort und wir verstehen uns sehr gut. Sie ist 22 Jahre alt und hat schon zwei Kinder. Leider spricht sie kein Französisch aber vielleicht kann ich mich bald besser auf madagassisch mit ihr unterhalten. Sie hat schon mit 15 Jahren geheiratet und ihre Kinder sind 5 und 2. Ich muss sie unbedingt fragen, warum sie schon mit 15 geheiratet hat. Das ist schon sehr komisch für mich. Aber immerhin ist ihr Mann sehr nett (er ist fünf Jahre älter). Die Familie lebt vom Körbe flechten. Ich werde sicher ein paar mitbringen!
Sie haben sehr groß für mich gekocht – leider natürlich wieder Fleisch. Ich hab viel mehr essen müssen als alle anderen, dabei ist es mir gestern Abend schon ziemlich übel gegangen. Aber ich hab ja schlecht das essen abweisen können (ich glaub die essen sonst nie Fleisch). Wir haben auf Strohmatten am Boden gegessen und sie haben sich tausendmal bedankt dass mich das nicht stört. Das angenehmste dort war, dass es keinen Fernseher gibt!!! Vielleicht werde ich bald ein, zwei Wochen zu ihnen ziehen.
Naja, als ich dann nach hause gekommen bin war mir ziemlich schlecht. Ich bin gleich schlafen gegangen. Und heut bin ich nur ins Krankenhaus gefahren um zu sagen, dass ich nicht komme. Sie haben mich gleich auf Malaria getestet und es ist nichts Schlimmes. Wahrscheinlich hab ich nur was falsches gegessen. Trotzdem habe ich irgendwelche Medikamente gegen Malaria bekommen und noch viele andere. Das ganze hat mich 1,50 € gekostet.
Heute hab ich den ganzen Tag geschlafen und am Nachmittag eine Dusche genommen. Das war wirklich angenehm. Die Dusche ist hier draußen und es gibt nur kaltes Wasser. Wir wärmen das Wasser vorher auf und dann ist das ganze ziemlich angenehm. Nur im Dunkeln ist es nicht angenehm – und ansonsten komm ich ja meistens erst im dunkeln nach hause – weil dann ist die Dusche voll mit Käfern und Spinnen. Ich hab keine Ahnung was das alles ist, aber ich schau meistens dass ich so schnell wie möglich wieder da raus komm. Aber heute Nachmittag hab ich eine angenehme Dusche ohne Käfern genommen.

Aber jetzt noch mal zur Religion. Letzte Woche hab ich dass erste Mal wirklich gecheckt, wie gläubig die Leute hier sind. Wir haben zum tausendsten Mal diskutiert, wann ich denn euch alle missionieren werde. Die Ärzte hier haben gemeint, es wäre dass schönste Geschenk für sie, wenn ich zurück nach Österreich komme und meine Freunde von Gott überzeuge (…also, macht euch auf einiges gefasst..  ); Dann hab ich ihnen erklärt, dass ich nicht so ganz von der Bibel überzeugt bin. Ich habe gemeint, die Bibel ist gut aber nicht in unserer Realität.Ich kann nicht glauben, dass irgendwann ein bärtiger Mann übers Wasser gelaufen ist. Aber die hier glauben wirklich dass ihre Ururururur…Großmutter Eva ist. Und ihre Urururur…Großvater Adam. Ich war die erste Person die ihnen erzählt hat, dass der Mensch vom Affen abstammt. Aber dass ist so fremd für sie….; die haben mir kein Wort geglaubt.

Nagut ihr alle, ich werd mich jetzt gesund schlafen weil ich am Freitag gern mit den Capoeirstas wegfahren würde. Sie haben mich übers Wochenende eingeladen mit auf einen Workshop zu fahren. Hoffe das klappt!
Ansonsten freu ich mich über alle eure Nachriten!
@ Anna: klar hab ich viel Zeit an euch zu denken!!! Und das tu ich auch ganz viel! Also du machst jetzt internationale Entwicklung? Und versuchst du nächstes Jahr den Test noch mal? Du bist doch unsere erste Ärztin!!!
@ Tommi: ich freu mich auch schon auf den nächsten Ausflug Richtung Flex!!! …die Partys in Österreich sind schon anders als hier. Bis jetzt mehr nach meinem Geschmack… ; Und was machst du jetzt? (…außer natürlich positiv denken…)
@ Kathi: ach, es ist wirklich dumm dass bei dir alles so schief gegangen ist. Aber hat die eine Woche bei Lisas Vater wenigstens Spaß gemacht? Und hat sich schon ein Plan B gefunden? Ich drück die auf jeden Fall die Daumen dass du bald wieder Mut schöpfst!
@ Flo: …na dann wirst du ja bald meine Kletterkünste überholen! Grüß den Max von mir! Ich freu mich schon drauf, dann mitzumachen, wenn ich wieder da bin.
@ Michael: …thanks’ for using the internet to translate! It’s just impossible for me to write all this in English. …hope to send you an e-mail “bientot”.

Donnerstag, 3. August 2006

01.08.06

Hui…heute war ein langer Tag! Ich habe viel erlebt. Ich fange am Ende an, weil mich das am meisten berührt hat. Heute Nachmittag ist ein sehr krankes Mädchen zu uns ins Krankenhaus gekommen (sie ist vielleicht so alt wie ich). Sie war so schwach, dass sie nicht mehr stehen und kaum sitzen konnte. Wir haben sie untersucht und sind und ziemlich sicher dass sie Tuberkulose hat. Mit ihrer Lunge sind wir überhaupt verwundert, dass sie noch atmen kann. Das Mädchen hat vor zwei Wochen ein Kind zur Welt gebracht und kann es nicht ernähren. Sie hat schon einmal ein Kind verloren, weil sie es nicht ernähren konnte. Zurzeit ist sie so schwach, dass sie wahrscheinlich bald stirbt wenn sie nicht behandelt wird. Die Behandlung kostet umgerechnet 80 Euro – zu teuer für die Familie. Mein Gott, es wäre so leicht für mich die 80 Euro aufzutreiben. Und trotzdem geht das nicht. Ich kann nicht anfangen für jeden die Behandlung zu zahlen. Und jetzt sterben vielleicht ein Mädchen und ihre Kind.
Dann bin ich nach Hause gekommen und es waren ca. 20 Verwandte da. Ein Freund aus diesem Viertel ist gestorben und die nächsten drei Tage werden wir uns von ihm verabschieden. Er liegt aufgebart in einem Haus hier in der Nähe und mir ist erst gerade bewusst geworden, dass ich heute das erste Mal einen Toten gesehen habe. Gleichzeitig haben wir zu Hause ein Kind zur Welt gebracht. Ein kleiner Junge. Es war eine schwierige Geburt aber jetzt geht es der Mutter gut. Sie liegt im Zimmer neben mir.
Wenn ich das Fenster öffne höre ich die Verabschiedung des Toten. Drei Nächte lang wird für ihn gesungen. Morgen bin ich auch da. Wenn ich das Fenster zu mache höre ich Jonathan, der unter mir Klavier spielt.

Es ist sehr seltsam, den Tod und die Geburt gleich nebeneinander zu haben. Es gehört hier alles zusammen. Der Tod ist normal. Die Geburt ist normal. Alle trauern und freuen sich gemeinsam. Es ist eine sehr schöne Kultur. Und eine sehr schöne Verabschiedung des Toten.
Seine Kinder sind so alt wie ich und sind heute aus Frankreich gekommen. Sie sind dort aufgewachsen.
Ich habe nicht gewusst, dass es mit dem Tot so einfach geht.

Heute Mittag war ich bei der Senegalischen Botschaft zum essen eingeladen. Ich bin so voll, dass ich mich nicht mehr bewegen kann.

Heute Morgen haben wir die bösen Dämonen aus dem Krankenhaus vertrieben. Ziemlich wild. Mit schreien, singen und beten. Das passiert jeden ersten Dienstag im Monat. Jetzt bin ich bereinigt. Viele Leute sagen mir, es wäre das schönste für sie wenn ich zurück nach Hause fahre und Christ bin. Ich glaube nicht, dass sie es schaffen mich zu missionieren. Aber bist jetzt mache ich mit.

Ich bin hundemüde. Schlafe hier viel zu wenig. Und esse viel zu viel. Also, Gute Nacht!
Achso, meine Wäsche hab ich heut endlich auch mal wieder gewaschen. Ich hätte weniger weiße Socken mitnehmen sollen. Die werden immer schwärzer.

28.07.06

Salut,
Jetzt bin ich schon drei Wochen hier! Die Zeit vergeht ziemlich schnell und ich erlebe viel. Ich habe im Krankenhaus inzwischen die Station gewechselt und bin jetzt im Disponsaire, an der Rezeption. Die Arbeit ist inhaltlich nicht so spannend aber ich habe viel Zeit mich mit den Kranken zu unterhalten. Ich arbeite alleine und bin dafür zuständig die Kranken an die jeweiligen Doktoren weiterzuleiten und vorher ihren Blutdruck, ihre Temperatur und ihr Gewicht zu messen. Solange es keine Probleme gibt klappt alles, aber wenn Ausnahmefälle kommen reicht mein Madagassisch noch nicht aus und leider sprechen die meisten Leute kein Französisch. Die meisten Patienten reden sehr viel mit mir und ich verstehe wenig. Aber es macht sehr viel Spaß. Heute hab ich mich sogar schon mit einem Taubstummen, der hier im Krankenhaus arbeitet, auf Madagassisch unterhalten. Die Arbeit ist nicht schwierig und ich habe Gott sei Dank keine Berührungsängste. Viele Patienten waschen sich sehr selten und stinken für europäische Verhältnisse. Ich helfe ihnen beim Ausziehen um die Temperatur zu messen. Letzte Woche ist glaube ich ein Flo zu mir übergesprungen. Inzwischen bin ich ihn glücklicherweise los. Die Bisse sind schon verheilt.

Letztes Wochenende hab ich meine ersten Capoeirastunden genommen. Ich hätte nie gedacht dass es hier auch einen Verein gibt aber inzwischen bin ich schon ein Mitglied. Wir heißen Capoiera Madagascar und sind ca 100 Capoeiristas. Ich habe leider wenig Zeit zum trainieren aber Samstags Nachmittags trainiere ich. Montags und Donnerstags nehme ich Stunden in Contemporary Dance. Der Unterricht ist so wie bei uns Tanzunterricht, nur um einiges billiger (3 Euro im Monat).

Samstag war ich auf meiner ersten Madagassischen Party. Das ganze war natürlich von einem Religiösen Verein veranstaltet, von dem ich noch immer nicht genau weiß was er wirklich macht. Die Leute nennen sich Mpikabas oder so und vermitteln vor Hochzeiten zwischen den involvierten Familie. Wir haben bis um drei Uhr getanzt und die Madagassen haben ordentlich gebechert. Nachher hat uns ein besoffener nach Hause gebracht. Ich wollte nicht dass er fährt, also hab ich’s selbst versucht. Aber es wäre für uns gefährlicher gewesen wenn ich das komische Auto gefahren wär also hab ich ihn fahren lassen.

Inzwischen wurde eine Geige für mich organisiert. Wir spielen viel. Eigentlich immer wenn wir hier zu Hause nichts zu tun haben. Und das ist immer.

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